Der Schweizer Autor Lukas Bärfuss am Salone Internazionale del Libro in Turin.
Lukas Bärfuss im Gespräch mit Giorgio Fontana am Salone Internazionale del Libro in Turin.
Die Liebe Italiens zur Literatur aus dem deutschen Sprachraum - Gallery
Der Schweizer Autor Lukas Bärfuss am Salone Internazionale del Libro in Turin.
Lukas Bärfuss im Gespräch mit Giorgio Fontana am Salone Internazionale del Libro in Turin.
Die deutsche Sprache ist an der wichtigsten italienischen Buchmesse Salone Internazionale del Libro Torino dieses Jahr als Ehrengast gewürdigt worden. Auch Autorinnen und Autoren aus der Schweiz reisten nach Turin. Eine Rückschau.
Nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit niedergeschriebenen Liebeserklärungen an die Literatur zieht in Turin ein kleiner Umzug am späten Samstagnachmittag vom Messegelände in Richtung Fiume Po. «Amo la letteratura, perché mi permette di viaggiare in tutti i mondi» – «Ich liebe Literatur, weil sie mich in alle möglichen Welten reisen lässt» – heisst es da.
Es ist die «ReadParade», eine gemeinsame Veranstaltung von Deutschland, Österreich und der Schweiz, welche die Kunst des Geschichtenerzählens in den öffentlichen Raum zurücktragen will. Die drei Länder haben gemeinsam den Auftritt der deutschen Sprache als Ehrengast der diesjährigen Internationalen Buchmesse in Turin gestaltet. Zu den eingeladenen Autorinnen und Autoren aus der Schweiz gehören Usama Al Shahmani, Lukas Bärfuss, Simone Lappert und Noëmi Lerch.
Dieser Auftritt habe etwas «angestossen», sagte Reina Gehrig gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Gehrig ist Abteilungsleiterin Literatur bei der Kulturstiftung Pro Helvetia, die wiederum Partnerin des Auftritts ist. «Eine deutsche Kollegin vom Goethe-Institut in Palermo hat in diesen Tagen Simone Lappert entdeckt», erzählte sie mit leuchtenden Augen. Dieser Austausch solle «nachhaltig» gepflegt werden. Denn die drei Gastländer hätten dasselbe Ziel: «Die internationale Promotion ihrer Autorinnen und Autoren», sagt Gehrig.
Deutsch unter den Top Drei in Italien
Die deutschsprachige Literatur hat in Italien einen wichtigen Stellenwert: Deutsch steht bei den Übersetzungen ins Italienische nach Englisch und Französisch an dritter Stelle. Für Pro Helvetia ist deshalb die Förderung von literarischen Übersetzungen ins Italienische ein Kernanliegen, die Präsenz an der grössten italienischen Buchmesse sei von «kulturpolitischer Bedeutung». Im Jahr 2023 zählte die Messe 215'000 Besucherinnen und Besucher.
Die diesjährige Messe dürfte die Besucherzahl vom Vorjahr noch toppen, wie im Verlauf der Messe vermutet wurde. An den Messeständen herrschte Hochbetrieb, in manchen Hallen war kaum ein Durchkommen möglich. Nicht wenige Italienerinnen und Italiener kamen mitsamt Kindern und Kinderwagen, aber auch Jugendliche in Gruppen zeigten ihre Lieblingsbücher und kauften neue. Draussen in der Sonne gab es Panini, Gelati und starken italienischen Caffè.
Barbara Griffini hat einen guten Überblick über die Entwicklungen im Bereich der auf Italienisch übersetzten Literatur. Ihre Agentur Berla & Griffini Rights Agency vertritt den Grossteil der deutschen Verlagswelt in Italien. In den letzten fünf bis zehn Jahren habe der Anteil an übersetzter kommerzieller Unterhaltungsliteratur – speziell «Frauenliteratur» – stark zugenommen, sagte Griffini. Ein stabiler Wert seien zudem deutsche Philosophen und Soziologen sowie neu aufgelegte Klassiker, darunter auch Dürrenmatt.
Mehr Vermittlung nötig
Die Vermarktung von Schweizer Gegenwartsliteratur sei in Italien jedoch nicht ganz einfach, sagte Griffini. Die meisten helvetischen Autoren verkauften in Italien 2000 bis 3000 Exemplare ihrer Bücher, richtig gut sei, wenn jemand auf 5000 verkaufte Bücher komme. Zum Vergleich: Bücher des Westschweizers Joël Dicker gingen in Italien über eine Million mal über den Ladentisch – und das in einem Land, in dem Lesekultur nicht weit verbreitet ist.
Ähnliche Zahlen nannte die Verantwortliche für fremdsprachige Belletristik beim Verlag Marsilio Francesca Varotto. Sie sagte, dass ein Grossteil der italienischen Leserschaft kaum zwischen Literatur aus Österreich, Deutschland und der Schweiz unterscheide. Das sei für viele einfach Literatur, die «über die Alpen» komme.
«Das Problem ist die Vermittlung», hielt Barbara Griffini fest. Pressearbeit würde meist nur bei Bestsellerautorinnen und -autoren geleistet, es bräuchte aber bei allen ausländischen Schreibenden mehr Vermittlungsarbeit, und zwar bei jedem Schritt, von der Übersetzung bis zur Organisation von Auftritten im Zielland.
Trotzdem attestiert Griffini der deutschsprachigen Literatur nach wie vor eine «Aura von Wert» in Italien. Auch Francesca Varotto glaubt, dass der italienische Buchmarkt «offener» werde, in Buchhandlungen gäbe es heute mehr Vielfalt und Italienerinnen und Italiener seien interessierter an Literatur aus nicht englischsprachigen Regionen. Doch ohne die Leidenschaft derjenigen, die sich in den Verlagen für die Bücher einsetzen, ginge es nicht, resümierte Griffini.
evpf, sda