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Bötschi fragt Wigald Boning: «Vielleicht trete ich deshalb so gerne in der Schweiz auf»
Von Bruno Bötschi
14.11.2023
Jeden Tag draussen schwimmen – egal bei welchem Wetter: Wigald Boning liebt Herausforderung und setzt sie um. Wie gelingt ihm das? Ein Gespräch über den inneren Schweinehund und schöne Gewässer in der Schweiz.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Wigald Boning wurde einst durch die Comedy-Sendung «RTL-Samstag Nacht» und im Gesangs-Duo mit Olli Dittrich als «Die Doofen» bekannt. Heute ist er als TV-Multitalent, Komiker und Autor tätig.
- Nun erschien vom 55-Jährigen das Buch «Herr Boning geht baden». Darin erzählt er von den 365 Tagen, an denen er nacheinander schwimmen ging.
- «Am Anfang war mir das Element Wasser fremd, mittlerweile fühle ich mich im darin wie in einer Ehe, die glücklich verläuft», sagt Boning im «Bötschi fragt»-Interview.
Wigald Boning, ich stelle Ihnen in den nächsten 45 Minuten möglichst viele Fragen. Und Sie antworten möglichst kurz und schnell. Passt Ihnen eine Frage nicht, sagen Sie einfach «weiter».
Okay.
Vorhin habe ich auf X, ehemals Twitter, entdeckt, dass Sie heute Morgen bereits ganz früh im Ammersee bei München schwimmen waren.
Ich war um 4 Uhr wach und eine Stunde später unterwegs zum See.
Leiden Sie an seniler Bettflucht oder liess Sie Ihr Sohn Oskar, der im März auf die Welt kam, nicht schlafen?
Sagen wir es so: Es ist ein Mix aus allem. Mir geht nachts viel durch den Kopf. Und in meiner Jugend habe ich den Angelschein gemacht. Ich bin es also gewohnt, früh aufzustehen.
Schlaflosigkeit ist nicht Ihr Problem?
Nein, ich freue mich in den frühen Morgenstunden über die störungsfreie Zeit.
Brustschwimmen oder Crawl?
In der kalten Jahreszeit Brust.
Speedo oder Badeshorts?
Ich mag die ganz kurzen Badehosen, welche die Athleten auch bei den Olympischen Spielen tragen. Eier-Kneifer heissen die bei uns.
Fluss oder See?
Zum Autor: Bruno Bötschi
blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.
Fluss finde ich reizvoller, weil abenteuerlicher.
Warum nochmals tragen Sie immer eine Badekappe?
Wenn ein Haus unter Wasser steht und nur das Obergeschoss noch trocken ist, macht es keinen Sinn, im Obergeschoss die Fenster zu öffnen und von aussen mit Eimer Wasser reinzugiessen. Aber natürlich kann man den Kopf auch ohne Badekappe trocken halten. Ich bin jedoch, wahrscheinlich ist dies meinem schütteren Haar geschuldet, auch sonst im Leben ein Hut-Typ. Mit Hut fühlt sich das Leben gemütlicher an.
Sie haben einst ein halbes Jahr lang jede Nacht draussen übernachtet, danach liefen Sie ein Jahr lang jede Woche einen Marathon und nun gehen Sie seit sage und schreibe 489 Tagen täglich schwimmen. Woher nehmen Sie die Ausdauer für diese Abenteuer?
Ich war als Jugendlicher Mitglied in einem Leichtathletikverein und war in allen Disziplinen Mittelklasse. Immerhin erhielt ich wenigstens einmal den Wanderpokal für den trainingsfleissigsten Athleten. Möglicherweise prägte mich dies fürs Leben.
Ich war auch ein erfolgloser Leichtathlet und ergatterte ebenfalls wegen meines Trainingsfleisses einmal einen Pokal.
Ich denke, es gehört zum Prinzip der Evolution, dass man sich nach solchen Erfahrungen später seine Nische sucht.
Wenn ich mir Ihre sportliche Karriere ansehe, komme ich mir wie David gegen Goliath vor: Ich habe in meinem Leben bisher einen einzigen Marathon absolviert, habe einmal in Eis gebadet und war einmal Campen …
Dann sind wir, also was den Erlebnishorizont angeht, gleichauf. Von einem Eisbad zum nächsten ändert sich nicht viel.
Wirklich wahr, dass die Goldmedaille, welche die deutsche Weitspringerin Heike Drechsler an den Olympischen Spielen im Jahr 2000 gewann, schuld ist an Ihrer Sportbegeisterung?
Ich sass damals verkatert vor dem Fernsehgerät und schaute mir den Wettkampf von Heike Drechsler an. Sie ist nur zwei Jahre älter als ich. Ich war damals subtil verspeckt. Bis mir irgendwann der Gedanke kam: Mein Alter ist nicht schuld an meinem Zustand. Ich sollte es Heike Drechsler gleichtun und in irgendeiner Disziplin eine Goldmedaille gewinnen.
Wie kommt eine bekennende Landratte dazu, sich einer monatelangen Bade-Challenge zu stellen?
Das hat mit dem Reiz des Fremden zu tun. Ich bin an der Nordseeküste in der Nähe von Oldenburg gross geworden. Trotzdem hat es mich immer in die Berge gezogen. Vielleicht trete ich deshalb so gerne bei euch in der Schweiz auf.
Wer oder was ist schuld an Ihrem Badeabenteuer?
Ich bin vor ein paar Jahren mit meiner Frau und unseren Kindern von München an den Ammersee gezogen. Zudem gab es ein gesundheitliches Problem.
Welches?
Ich litt unter einer Kalkschulter. Ich ahnte, dass Schwimmen ein gutes Mittel dagegen sein könnte. Und ich habe eine Vorliebe für Streaks, also dass man eine sportliche Aktivität ausnahmslos jeden Tag betreibt. So etwas fällt mir leicht.
Sportlich gesehen ist es vielleicht nicht die grosse Herausforderung – aber wie haben Sie es in den letzten fast 500 Tagen geschafft, täglich mindestens 15 Minuten für die Disziplin Schwimmen freizuschaufeln?
Sobald ich weiss, dass ich irgendwo einen Auftritt habe, nehme ich die Landkarte zur Hand und schaue, wo es in der Umgebung blaue Fläche gibt. Diese Recherchen machen mir übrigens derart grossen Spass, dass ich, wenn ich dereinst vielleicht nicht mehr regelmässig schwimmen gehe, auch weiterhin die Karten nach Badegewässern absuchen werden.
Sie sind fünffacher Vater, Komiker, Schauspieler, TV-Hobbywissenschaftler, Sänger und Extremsportler: Gibt es etwas, das Sie nicht können?
Ach, oh … es gibt Dinge, die kann ich zwar, aber ich erledige sie höchst ungern. Ich schiebe zum Beispiel seit Wochen die Einkommenssteuererklärung vom letzten Jahr vor mir her. Ich nehme an, da unterscheide ich mich nicht gross von anderen Menschen.
Ursprünglich wollten Sie ein Jahr lang täglich schwimmen gehen, nun haben Sie Ihr Projekt auf unbestimmte Zeit verlängert. Wieso?
Ich fing mit dem täglichen Schwimmen am 1. Juli 2022 an, also vor anderthalb Jahren. Das heisst, am 30. Juni 2023 hatte ich den Streak geschafft. Ich freute mich aber bereits Anfang Frühling auf wärmeres Wasser – und als das endlich da war, dachte ich: Unsinn, jetzt hörst du sicher nicht mit dem Schwimmen auf.
Über Ihre Erfahrungen im Nass haben Sie das Buch «Herr Boning geht baden: Ein Jahr, 365 Badetage und was ich dabei über Schwimmen, Leben und tolle Hechte lernte» verfasst. War von Anfang klar, dass Sie Ihre Abenteuer im Wasser zwischen zwei Buchdeckel pressen werden?
Mit dem Schreiben wird der Streak zum Duathlon. Ich gebe zu, während der wöchentlichen Marathons, war die sportliche Tätigkeit viel anstrengender und zehrender als das Schreiben. Trotzdem gab es auch in den letzten anderthalb Jahren Tage, die mich an die Grenze brachten.
Seit Sommer 2023 publizieren Sie jeden Tag zusätzlich noch ein Video von ihren Schwimmeinheiten.
Damit fing ich an, weil ich nicht mehr wusste, was ich auf meinen sozialen Medien anstellen soll. Das Fragezeichen in meinem Kopf wurde immer grösser und ich fragte mich je länger, desto mehr, wozu diese Anstalten überhaupt gut sind. Bis ich mich entschloss, alles zu vereinheitlichen. Sprich: Ich gehe ins Wasser, produziere ein 20-sekündiges Video und platziere diese gleichentags online.
In Ihrem Buch steht der Satz: «Manch einer lebt, um zu arbeiten – ich arbeite, um an speziellen Orten, zu baden». Welches war der bisher speziellste Ort, in dem Sie ins Nass gesprungen sind?
Unvergesslich bleibt mir das Regenrückhaltebecken am Flughafen Hannover.
Nach 489 Tagen im Wasser können Sie mir sicher in einem Satz beschreiben, wie sich das Element Wasser anfühlt?
Am Anfang war mir das Element Wasser fremd, mittlerweile fühle ich mich im darin wie in einer Ehe, die glücklich verläuft. Ab und zu kriselt es ein wenig, weil meine Frau, also das Wasser, sich etwas abweisend gibt. Aber aus Erfahrung weiss ich jedoch: Es kommen wieder wärmere Tage.
Was haben Sie beim Schwimmen über das Leben gelernt – abgesehen davon, dass Sie seit anderthalb Jahren stark genug sind, nicht immer den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen?
Viel Demut. Wer selber schon einmal 15 Minuten in ganz kaltem Wasser gebadet hat, weiss, was es bedeutet. Ich zittere danach mindestens eine Stunde lang. Das schränkt die Sicht rasch auf Normalmass zurück – gerade bei Menschen, die meinen, was für Hechte sie seien.
Beim Laufen lernten Sie, dass nicht automatisch alles so wird, wie Sie es sich vorgestellt haben. Sie nahmen damals unter anderem drei Kilos zu. Was ist beim Schwimmen anders, als dass Sie es sich vorgestellt haben?
Das Wasser kann zu Ehefrau und Freund werden, der einen trägt und gegen den man nicht ankämpfen muss. Es würde auch keinen Sinn machen, weil am Ende das Wasser immer stärker ist. Man kann sich im Wasser, sogar auf einer grossen Fläche, aufgehoben fühlen, auch wenn diese zunächst einschüchtern wirkt.
Bekommen Sie beim Schwimmen von der Aussenwelt genau gleich viel mit wie während des Laufens – oder sind Sie im Wasser mehr bei sich?
Es gibt Flüsse, etwa die Blau, die durch Ulm fliesst, da nehme ich viele Eindrücke mit. Schwimme ich jedoch in einem See oder im Meer, wo ich kaum das Ufer sehe, bin ich fast gezwungen, mich mit mir selber zu beschäftigen.
Sollten wir alle mehr schwimmen?
Zu dieser Empfehlung kann ich mich nicht durchringen. Es gibt Menschen, die haben grosse Angst, in Gewässern zu baden, in denen sie den Grund nicht sehen können. Und weil ich kein Missionar bin, der dazu aufruft, dass wir Menschen all unsere Ängste überwinden sollen, sage ich es so: Wer Lust hat dazu, soll es tun. Wer sich davor fürchtet, darf es meines Erachtens gerne sein lassen.
Wie viele Badehosen haben Sie in den letzten 489 Tagen verschwummen?
Ich habe mir in den letzten anderthalb Jahren acht Badehosen gekauft. Und ebenso viele Badekappen. Ich bin auch schon in Unterhose baden gegangen und einige Nackt-Badeereignisse habe ich ebenfalls absolviert. Ich muss allerdings sagen, wenn man morgens noch nicht genau weiss, wo man im Laufe des Tages schwimmen gehen wird, wirkt eine Badehose im Gepäck gefühlsmässig entlastend – und man erlebt während des Badens auch weniger schräge Blicke von Passanten.
Welches war der bisher komplizierteste Badetag – und warum?
Es gab einige Tage, während denen ich in arge Zeitnot kam. Mittlerweile weiss ich, dass ich sogar im Tümpel im Mediapark in Köln baden kann. Bis ich das herausfand, dauerte dies jedoch seine Zeit. Die Kiesgruben im Umfeld der Stadt sind eben mehrere Kilometer von der City entfernt und der Rhein, der durch Köln fliesst, ist insbesondere nachts nicht als Badeort zu empfehlen.
Gab es sonst noch emotionale Krisen während Ihrer Schwimm-Challenge, die sie unbedingt erwähnen möchten?
Der Monat Februar 2023 war sehr schwer, da wurde ich dauerhaft von Krankheiten geplagt – von Corona bis Nasennebenhöhlen-Entzündung war alles dabei. Krank ins Wasser zu steigen und dies bei Aussentemperaturen unter null Grad ist wirklich kein Vergnügen. Am schlimmsten war der Tag, an dem mein Vater starb. Es war an sich schon ein komischer Gedanke, just dann ins Wasser zu steigen. Als ich jedoch drin war, spürte ich eine grosse Erleichterung. Wasser hat etwas Tröstendes.
Im April 2023 starb Ihr Vater, einen Monat vorher kam Ihr Sohn Oskar zur Welt.
Oskar kam im Wasser auf die Welt. Kurz vor der Geburt fragte ich das medizinische Personal, ob wir die Wanne nicht nach draussen stellen könnten, damit ich mich zu meiner Frau dazulegen könnte. Ich ernte danach derart viele böse Blicke, dass ich sofort erwähnte, dass dies ein Scherz gewesen sei. Was in Wirklichkeit nur halb gestimmt hat. (lacht)
Haben Sie im Wasser schon einmal eine lebensbedrohliche Situation erlebt?
Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern. Es gab aber schon Situationen im Wasser, bei denen ich im Nachhinein dachte: Oh, das hätte schiefgehen können.
Erzählen Sie bitte.
Im Herbst 2022 schwamm ich bei Nebel im Ammersee und verlor die Orientierung. Ich wusste nicht mehr, wo das Ufer ist. Das Wasser hatte damals vielleicht 12, 13 Grad. Da kann man nicht ewig nach dem Weg suchen. Ich hatte jedoch Glück und sah irgendwann die Umrisse eines geankerten Motorbootes. In dem Moment wusste ich wieder, wo ich mich befand.
Sie haben in Deutschland gebadet, in Österreich, in Thailand und am 310. Badetage sogar in Themse in London. Wie oft haben Sie schon Probleme, weil Sie an verbotenen Orten schwimmen gehen wollten?
In die Themse stieg ich am Tag der Krönung von Charles III., weil ich sonst keine Bademöglichkeit in London fand. Ich war damals als Aussenreporter für den Fernsehsender RTL unterwegs. Das Problem dabei: Alle 50 Meter standen zwei bewaffnete Polizisten, welche die Stadt vor Terroranschlägen schützen sollten. Ich musste mich also heimlich ausziehen und das Schwimmen in der Themse möglichst schnell erledigen. Sollte ich jemals ein Problem mit der Polizei bekommen, bin ich vorbereitet.
Wie das?
Ich habe immer 50 Euro im Portemonnaie dabei und hoffe, dass ein mögliches Bussgeld diesen Betrag nicht überschreiten wird (lacht).
Ich muss zugeben, ich bin ein bisschen enttäuscht über Ihr Buch: Sie haben an vielen Orten gebadet, nur nie in einem Schweizer See oder Fluss, obwohl Sie mein Heimatland in diesem Interview bereits lobend erwähnt haben. Was haben Sie gegen unsere Gewässer?
Nichts. Ich bin in der Schweiz zumindest an Land gegangen – und zwar, als meine Frau an den Festspielen in Bregenz am Bodensee sang. Es war der 4. Oktober 2022, als ich bei Altach in Österreich im Altrhein schwamm. Ich mag die Schweiz wirklich sehr und auch ihre Gewässer. Es gibt zudem ein paar Traumziele bei euch, die ich gerne noch beschwimmen würde.
Welche wären das?
In Genf soll es eine Insel mit drei Bäumen darauf geben. Ich habe schon mehrfach Bilder davon gesehen.
Sie reden wahrscheinlich von der Ille Rousseau.
Das wäre ein Ziel von mir. Und dann nicht zu vergessen: die Aare in Bern. Da bin ich schon in jungen Jahren geschwommen und würde das gerne wieder tun.
Hat das aktuelle Nichtbeachten der Schweizer Gewässer vielleicht mit Ihrem im Jahr 2014 errungenen Weltmeistertitel im Langsam-Schwimmen auf dem Bodensee zu tun?
Nein, damit hat das nichts zu tun. Ich habe den Organisatoren der Bodensee-Querung schon vor längerem mitgeteilt, falls sich je ein Mensch anschicken sollte, mir diesen Titel zu entreissen, sollen sie sich sofort bei mir melden. Damit ich, wenn ich es zeitlich schaffe, applaudierend am Schweizer Ufer stehen kann. Ich denke jedoch, ich habe da ein Rekord für die Ewigkeit erschwommen.
Bei diesem Bodensee-Langstreckenschwimmen, am 16. Juli 2014, legten Sie nonstop eine Distanz von 12,690 km zurück und waren während 7 Stunden, 24 Minuten und 25 Sekunden im 20 Grad kalten Bodensee unterwegs. Was war das Problem?
Möglicherweise gab es eine fiese Gegenströmung. Vielleicht habe ich mir meine Leistung aber auch nur schöngeredet und es lag einzig und allein an meinem bescheidenen Tempo.
Gelesen habe ich, dass es damals ein Problem mit dem Kirchturm von Romanshorn gab. Wieso nochmals nennen Sie ihn «Kirchturm des Grauens»?
Sie haben recht, den Kirchturm von Romanshorn sollte man während der Überquerung des Bodensees besser nicht ansehen, weil man im Verlauf der Querung feststellen wird, dass der Turm nicht grösser wird. Das kann instabilen Naturen psychisch stark zusetzen. Diesen Ratschlag habe ich leider lange nicht begriffen.
Gibt es auch schöne Erinnerungen an die Schweiz, die Sie zum Besten geben können?
Als Jugendlicher spielte ich in einer Band, die am liebsten in der Schweiz auftrat. Wir traten unter anderem am Gurten Openair auf und gingen danach – wie bereits erwähnt – in der Aare schwimmen. Das ist eines meiner frühesten Flussschwimm-Erlebnisse.
Harald Schmidt sagte in einem Interview: «Die Schweiz ist für die Deutschen das unerreichte Ideal.»
Das verstehe ich gut und hat vor allem damit zu tun, weil wir Deutsche die Schweiz als schönes und wohlgeordnetes Idyll kennenlernen, wo viele nette Menschen wohnen. Ich bin allerdings einmal von Winterthur mit dem Zug nach Zürich gefahren. Während dieser Reise sassen Hunderte Soldaten im Zug. Als ich bei meinen Schweizer Kollegen, mit denen ich zusammen gereist bin, nachfragte, warum habt ihr eigentlich trotz allgemeiner Bewaffnung kaum Amokläufe, konnten sie mir diese Frage nicht richtig beantwortet — aus deutscher Sicht bemerkenswert.
Am 479. Tag Ihres Schwimm-Streak vermeldeten Sie in Ihrem X-Video, dass tägliches Baden kein Allerheilmittel gegen alle Infektionskrankheiten ist. Was hat Sie das tägliche Baden sonst noch über die menschliche Gesundheit gelehrt?
Es stimmt, die Stärkung des Immunsystems kann ich nur teilweise bestätigen. Dafür lernte ich, dass Schwimmen aus orthopädischer Sicht extrem sinnvoll ist. Das war während meiner Marathon-Challenge komplett anders. Da fühlte ich mich öfters so, als würde ich im Körper eines 80-Jährigen stecken.
Ist es wirklich wahr, dass kaltes Wasser dick macht?
Das hat mir ein Veteran des Langstreckenschwimmens erzählt. Heute weiss ich, was er meint: Kaltes Wasser löst oft starke Hungergefühle aus. Denn es ist das einzige Mittel des Körpers sich gegen Kälte zu wehren. Ich gebe mich leider diesem Hunger allzu leicht hin. Ich bin ein schwacher Athlet.
Ich habe in den letzten Tagen meine*n Freund*innen und auch meine Follower*innen in den sozialen Medien gefragt, was sie einen Menschen, der fast 500 Tage nacheinander schwimmen geht, fragen würden – allerdings ohne dabei Ihren Namen zu nennen. Auf die folgenden 15 Fragen möchte mein Umfeld von Ihnen eine Antwort bekommen: Duschen Sie am Morgen noch?
Selten, aber kommt vor.
Duschen Sie gerne?
Ja.
Wie pflegen Sie Ihre Haut?
Am Anfang meines Schwimm-Streak überlegte ich, ob ich Feuchtigkeitscremes benutzen soll. Gerade im Sommer trocknet die Haut nach längerem Schwimmen rasch aus. Ich denke jedoch, wenn ich damit anfange, komme ich nicht mehr davon los. Deshalb falte ich lieber vor mich hin.
Wovor schwimmen Sie davon?
(Lacht) Würde ich regelmässig Fahrrad fahren, dann könnte man sagen, ich flüchte vor meinen Haushaltspflichten. Schwimmen hingegen ist ein familienfreundliches Hobby, weil ich – insbesondere im Winter – bereits nach einer Viertelstunde wieder zurück bin.
Wie hat sich Ihre Beziehung zum Wasser seit dem Start Ihrer Bade-Challenge verändert?
Früher war mir das Wasser fremd und ich stand mit viel Ehrfurcht davor. Heute stehe ich immer noch ehrfürchtig davor, ich spüre aber auch freundschaftliche Gefühle.
Mit welchen Auswirkungen haben Sie beim Start Ihrer Bade-Challenge gerechnet und sind die auch wirklich eingetroffen?
Anfänglich war mir nicht bewusst, dass man auch im Winter jeden Tag draussen schwimmen kann. Ich dachte, ich müsste während der kalten Jahreszeit in Hallenbäder ausweichen.
Gibt es eine körperliche oder mentale Entwicklung seit Beginn Ihrer Challenge, die Sie überrascht hat?
Da muss ich einen Moment überlegen … Ich würde sagen, ich bin als Persönlichkeit schon ziemlich fertig gebaut. Überrascht hat mich, dass ich so lange durchhalte. Hin und wieder staune ich selber über meine Leistung. Ich spinne diesen Gedanken jedoch nicht weiter, weil er zu sehr an Selbstbeweihräucherung grenzt. Damit bin ich vorsichtig.
Ist «Arielle, die Meerjungfrau» einer Ihrer Lieblingsfilme?
Stimmt, diesen Film müsste ich wieder einmal ansehen. Ich hatte vor einigen Monaten einen Rückfall mit meiner Kalkschulter. Deshalb kaufte ich mir zum Schwimmen eine Monoflosse. Hätte sich das Problem nicht wieder gelöst, war mein Plan, dass ich im Nixen-Kostüm schwimmen gegangen wäre.
Atmen Sie beim Crawlen auf beide Seiten?
Ja.
Denken Sie im Wasser mehr als im Trockenen?
Weniger.
Haben Sie Tipps gegen Krämpfe?
Ich hatte dann und wann schon Krämpfe während des Schwimmens. Ich mache dann den sogenannten toten Mann und entspanne so meine Muskulatur. Panik ist in so einem Fall absolut unangebracht, weil kontraproduktiv. Man sollte sich mit seinen Krämpfen, wenn immer möglich, anfreunden.
Wo ist die Grenze zwischen Zwang und Disziplin?
Sobald die Freiwilligkeit leidet – ich stelle mir im Wochenturnus die Frage, ob das alles so seine Richtigkeit hat. Bisher kann ich diese Frage mit einem Ja beantworten.
Braucht der Mensch immer eine Aufgabe?
Es geht auch ohne Aufgabe und ohne strukturierende Pfeiler im Tagesablauf. Der Mensch kann auch einfach dahinvegetieren und glücklich sein.
Ist das Schwimmen eine Sucht?
Schwimmen kann eine Sucht sein, aber nicht jede Sucht ist schlecht.
Letzte Frage aus meinem Umfeld: Duschen Sie immer nach dem Schwimmen?
Wenn ich den Eindruck habe, es ist nicht nötig, lasse ich die Dusche weg. Es gibt aber auch Gewässer – etwa den erwähnten Tümpel im Mediapark Köln oder die Themse in London – da dusche ich nach dem Bad extra lange.
So grundsätzlich: Was treibt Sie als Komiker und Kabarettist an?
Ich habe mich selber nie als Kabarettist und auch nicht als Komiker verstanden. In meiner Selbstsicht war ich immer ein ernsthafter, junger Mann. Die Beschreibung «jung» ist mittlerweile natürlich auch eine Lebenslüge, mit der ich mich angefreundet habe. Ich war schon immer vielseitig interessiert und komme, wenn ich über Dinge nachdenke, zu Schlüssen, die andere Menschen unterhaltsam finden. Dass ich damit ein Komiker sein soll, hielt ich anfänglich für eine Beleidigung – mittlerweile habe ich mich damit arrangiert.
Die Resonanz auf Ihre Auftritte – ob im Fernsehen oder auf Bühnen – ist gross. Menschen aller Altersklassen lachen über Sie. Wie erklären Sie sich das?
Das kann ich mir nicht erklären. Ich halte es für eine Laune der Natur, die angenehm ist – auch in der Rückschau. Ich habe ein angenehmes Leben.
War Ihr Aussehen für Ihre Bühnenkarriere hinderlich oder förderlich?
Förderlich. Ich bin etwas kurz geraten und kein Latin-Lover-Typ. Dieses Äussere wirkt sich im komischen Fach günstig aus. Man muss es nur wollen. (lacht)
Wann wird Ihr grosser Traum wahr und Sie werden im Pirelli-Kalender als Model zu sehen sein?
(Lacht) Ich bin bisher noch nicht angesprochen worden und bin verhältnismässig optimistisch, dass es nie passieren wird.
Haben Sie das Gefühl, in diesen anderthalb Jahren des Schwimmens mehr zu sich gefunden zu haben?
Ich habe den Eindruck, dass ich eine recht statische Persönlichkeit bin, die sich bereits im Teenager-Alter gefunden hat. Mit der Suche nach dem eigenen Ich konnte ich nie viel anfangen.
Wann und wo genau haben Sie sich gefunden?
Als Kind war ich einmal bei einem Bekannten meiner Eltern zu Besuch, der eine Tonband-Sammlung hatte. Als ich dort die Aufnahme vom Auftritt von Charlie Parker und Dizzy Gillespie in der Massey Hall in Toronto aus dem Jahr 1953 hörte, löste dies innerhalb von Sekunden viel Liebe aus und ich wusste: Ich will Jazzmusiker werden. Das war entscheidend für mein Leben, den ab diesem Moment waren verschiedene Berufswege unwiderruflich verbaut. Irgendwann später realisierte ich, dass ich mit dem Musikerleben meine Miete nicht würde bezahlen können. Da schickte ich mich aber bereits als Komiker auf der Bühne zu stehen.
Baden, Campen und Marathon – mein Vorschlag für Ihre nächste Challenge: Während 66 Tagen täglich Nacktwandern gehen.
Ich gebe zu, ich bin ein begeisterter Nacktwanderer. Ich habe mir schon überlegt, ob ich die Alpen nackt überqueren soll. Die Ausrüstung für diese Herausforderung steht auch schon bereit: Ich würde unterwegs einen sogenannten Chapeau Claque auf Kopf tragen, also einen zusammenklappbaren Zylinder. Diesen könnte ich einerseits als Ablageort für meinen Proviant verwenden und während der Pausen als Sitzunterlage.
Möchten Sie allen Schweizer*innen, die Schwimmen hassen, noch etwas auf den weiteren Lebensweg mitgeben?
Wäre ich Schweizer und würde zum Beispiel in Luzern am Vierwaldstättersee wohnen, wäre ich dem Schwimmsport nicht weniger verfallen, als ich es eh schon bin. Aber gleichzeitig habe ich volles Verständnis für Menschen, die wasserscheu sind. In dem Sinne: Herzliche Grüsse in die Schweiz.
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