Bötschi fragtFrederick Lau: «Der Alkohol macht mich zum Arschloch»
Von Bruno Bötschi
27.10.2023
Früher tanzte Frederick Lau gern auf Partys. Seit er keinen Alkohol mehr trinkt, findet das Nachtleben ohne den Schauspieler statt. Ein Gespräch über die schlechten Seiten des Rausches — und die wenigen guten.
Von Bruno Bötschi
27.10.2023, 16:15
28.10.2023, 10:57
Bruno Bötschi
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Ging es früher nach Frederick Lau, musste auf einer Party getanzt werden. Und Alkohol getrunken werden.
Seit zweieinhalb Jahren lebt der 34-jährige Schauspieler aus Berlin abstinent.
Was passiert, wenn ein trinkfreudiger Mensch plötzlich nüchtern wird? Es ist das Thema im Film «One For the Road» von Regisseur Markus Goller, der seit dieser Woche in den Schweizer Kinos läuft.
Frederick Lau, ich stelle dir in den nächsten 45 Minuten möglichst viele Fragen …
… da bin ich gespannt.
Und du antwortest möglichst kurz und schnell. Wenn dir eine Frage nicht passt, sagst du einfach «weiter».
Okay.
Typische Frederick-Lau-Worte gleich nach dem Aufstehen am Morgen?
Schreit nicht so laut rum (lacht).
Kalte Dusche oder Espresso mit Zucker?
Kalte Dusche.
Currywurst oder Eisbein?
Currywurst.
Nachdem ich mir dieser Tage den Podcast «Hotel Matze» mit dir und Matze Hielscher angehört habe, frage ich mich: Wie glücklich ist Frederick Lau ohne Alkohol und Nachtleben auf einer Skala von eins bis zehn Punkten?
Sieben Punkte.
Wenn ich ehrlich bin: So richtig glücklich hast du im Podcast nicht geklungen …
Du meinst ohne Alkohol? Ja klar, es ist eine Umstellung. Aber ich sage immer: Wo sich eine Türe schliesst, öffnet sich eine andere.
Zum Autor: Bruno Bötschi
Bild: blue News
blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.
Seit wie vielen Tagen trinkst du keinen Alkohol mehr?
Seit zweieinhalb Jahren. Wie viele Tage sind das?
Rund 900 Tage. Seither hast du wirklich keinen einzigen Boston Sour, deinen einstigen Lieblingsdrink, mehr getrunken?
Nein.
Früher hast du dich als «Nachtmensch» bezeichnet. Wie beschreibst du dich heute in einem Wort?
Familienvater.
Wir Menschen trinken Alkohol zu besonderen Anlässen, aber wir trinken auch einfach so. So grundsätzlich: Ist Alkohol ein Problem oder kein Problem?
Ich denke, Alkohol ist zu gesellschaftsfähig. Es ist anerkannter Alkohol zu trinken, als darauf zu verzichten. Schau dir nur einmal die Getränkekarten in vielen Restaurants an: Die Liste mit alkoholischen Getränken ist viel länger als jene ohne Alkohol. Noch ein Beispiel gefällig?
Gern.
Meine Frau kommt aus Bayern. Dort ist Biertrinken ein Kulturgut und damit auch der Rausch. Ich sage nicht, dass der Rausch nur schlecht ist, aber es resultiert daraus halt oft viel Schlechtes. Der Rausch macht viel kaputt. Es ist aber auch ein Fakt, dass viele Menschen etwas Selbstzerstörerisches in sich tragen. Das sage ich auch im Podcast: Manchmal will man seinen Weltschmerz einfach nur ertränken.
In deinem neuen Kinofilm «One for the Road» spielst du den feierlustigen Bauleiter Mark: Ist es mühsam in Interviews nun ständig über das Thema «Alkohol» zu sprechen, obwohl du gar keinen mehr trinkst?
Damit habe ich kein Problem. Der Alkohol gehört zu meiner Lebensgeschichte. Ich bin zudem überzeugt, dass unser Film manch einer Zuschauerin oder einem Zuschauer auch Kraft schenken wird …
… oder ein schlechtes Gewissen macht, weil sie oder er kürzlich zu tief ins Glas geschaut hat.
Das möglicherweise auch. Das Schöne an unserem Film ist, dass er nicht nur Antworten gibt, sondern auch Fragen stellt.
Wenn du angefangen hast Alkohol zu trinken, sagst du im Podcast «Hotel Matze», konntest du nicht mehr aufhören damit.
Bei mir war Alkohol Exzess. Ich war ein sogenannter Rauschtrinker.
Wie bist du das geworden?
Ich habe das als junger Erwachsener so gelernt. Als ich 15 oder 16 war, gab es bei uns in Berlin diese «All-Inclusive-Partys», bei denen man zwölf Euro Eintritt gezahlt hat und dann so viel trinken durfte, wie man wollte. Alkohol hatte bei mir erst einmal nichts mit Genuss zu tun. Seitdem ich eine Familie habe, habe ich mein Trinkverhalten verändert. Betrunkensein tötet Zeit.
Wie benimmt sich ein betrunkener Frederick Lau – fröhlich-lustig oder wie ein Arschloch?
Zuerst fröhlich-lustig, später wie ein Arschloch.
Gab es einen bestimmten Vorfall, der dazu geführt hat, dass du seit zweieinhalb Jahren keinen Alkohol mehr trinkst?
Das war eine langsame Entwicklung. Ich spürte irgendwann, dass mir der Alkohol keine Freude mehr macht und dass das Negative das Positive überwog. Und ich merkte … ach, ich weiss gar nicht, wie lang meine Antworten sein dürfen (lacht).
Alles gut bisher. Falls deine Antworten zu lang werden, würde ich mir erlauben, dich zu unterbrechen. Was sagte deine Frau, wenn du jeweils betrunken nach Hause gekommen bist?
Die hat dann meistens bereits geschlafen (lacht).
Was für ein Mensch ist Mark, der Bauleiter, den du in «One for the Road» spielst?
Mark ist ein Single-Mann, der sein Leben geniesst. Er ist an einem Scheidepunkt angelangt, wo es nach unten oder aber oben gehen kann.
Wie viel Mark steckt in Frederick?
Ich denke, es können sich viele Menschen mit Mark identifizieren – ich auch.
Mark wird alkoholisiert beim Umparken seines Autos von der Polizei erwischt. Er verliert daraufhin seinen Führerschein. Um diesen wiederzubekommen, muss er irgendwie versuchen, nüchtern zu werden – und lernt auf diesem Weg vor allem sich selbst kennen. Hast du in den letzten zweieinhalb Jahren ohne Alkohol ähnliche Erfahrungen gemacht?
Ich bin ein äussert lernoffener Mensch und freue mich über jedes Aha-Erlebnis. Alkohol klaut einem solche Erlebnisse.
Wie spielst du jemanden, der betrunken ist?
Einen besoffenen Menschen zu spielen ist unheimlich schwer. Während der Dreharbeiten haben wir mit sechs verschiedenen Stufen gearbeitet – von erheitert über stark betrunken und bis irgendwann derart benebelt sein, dass eine normale Kommunikation kaum mehr möglich ist, weil der Mensch nicht mehr zurechnungsfähig ist.
Warum ist Trunkenheit zu spielen eine derart grosse Herausforderung?
Ich kann nur für mich reden. Ich mag es nicht, wenn ich einen Zustand für eine Rolle herstellen muss. Authentische Situationen sind mir lieber. Früher war es oft so, dass Szenen, in denen Alkohol getrunken wurde, erst gegen Abend gedreht wurden. So konnten wir Schauspieler auch einmal ein richtiges Bier trinken.
Mads Mikkelsen spielte vor zwei Jahren im Film «Der Rausch» einen Lehrer, der durch konstantes Trinken sein Leben umkrempeln will. Er sagte damals in einem Interview: «Es gibt aber auch den Punkt, an dem man so betrunken ist, dass es einem egal ist, ob andere das mitbekommen. Das ist sehr schwer zu spielen.»
Das ist ja das Schlimme an Alkohol, dass einem irgendwann alles egal ist. In solchen Momenten tangiert einen nichts mehr und es ist völlig egal, was links und rechts von einem abgeht. Solche Situationen kann man aber auch herstellen, wenn man nüchtern ist. Dafür braucht es ganz viel Selbstvertrauen.
Hast du dieses Selbstvertrauen?
Teilweise.
Mads Mikkelsen sagt, er habe vor «Der Rausch» viele YouTube-Videos mit Menschen aus Russland angeschaut, die extrem betrunken waren. Das habe ihn inspiriert: «Diese Betrunkenen haben oft eine Mission, egal wie blöd die ist. Und sie fallen hin und vergessen dabei, ihre Hände zu benutzen.»
Im Vorfeld von «One for the Road» habe ich mir auch Videos angeschaut. Während der Dreharbeiten haben wir dann, wie erwähnt, mit verschiedenen Stufen des Betrunkenseins gearbeitet. Regisseur Markus Goller sagte uns jeweils, welche Stufe er jetzt in einer Szene sehen möchte.
Mads Mikkelsen und die anderen Schauspieler*innen von «Der Rausch» besuchten vor den Dreharbeiten ein Alkohol-Boot-Camp. Während dieses Camps hätten sie ein «bisschen getrunken und gefilmt und dann noch bisschen mehr getrunken und auch das gefilmt». Hast du so etwas auch schon gemacht?
In meiner Vergangenheit habe ich so etwas Ähnliches wohl öfters gemacht, wenn ich in Berlin durch die Nacht gezogen bin. Offiziell nahm ich aber nie an einer solchen Veranstaltung teil (lacht). Für meine Rolle in «One for the Road» schöpfte ich viel aus der Erinnerung. Und wir haben vor den eigentlichen Dreharbeiten auch ganz viel geprobt.
Was ist die grössere schauspielerische Herausforderung: Rausch oder Kater?
Der Rausch. Betrunken zu spielen fühlt sich ganz schnell albern an. Einen Kater wiederum kann man herstellen.
Wie lautete dein persönliches Patentrezept gegen den Kater?
Schlafen und keine Menschen treffen.
Was hältst du vom Konterbier?
Nichts. Hörte ich irgendwann in der Nacht mit der Trinkerei auf, war das Thema Alkohol für mich beendet – zumindest vorübergehend.
Was sagte deine Familie, als du mit dem Trinken aufgehört hast?
Die sind total stolz auf mich. Auch sonst bekomme ich nur positive Rückmeldungen, was auch damit zu tun hat, weil ich untertags jetzt viel wacher bin. Heute gehe ich nach Hause, sobald es dunkel wird. Aber keine Angst, ich rede den Alkohol trotzdem nicht nur schlecht. Die langen Abende in einer Bar oder einem Klub waren oft auch sehr lustig.
Hat dir in den letzten zweieinhalb Jahren noch nie ein Freund zu dir gesagt: «Frederick, komm wir gehen wieder einmal zusammen Saufen»?
Bisher nicht. Kürzlich meinte ein Bekannter jedoch, ich hätte ihm besoffen besser gefallen (lacht).
Das heisst, du gehst auch nicht mehr im «Berghain», dem berühmten Berliner Technoklub, tanzen?
Während der Corona-Pandemie war dies eh nicht möglich. Und seither war ich nie mehr dort. Dabei tanze ich für mein Leben gern. Ich habe mir fest vorgenommen, demnächst einmal am Sonntagmorgen ganz früh aufzustehen und mit meiner Frau tanzen zu gehen. Ich will testen, ob ich es schaffe, ohne Alkohol auszugehen. Meine Frau kann das wunderbar. Ich bin es halt gewohnt, dass das Tanzen und der Alkohol zusammengehören.
Deine Botschaft an all jene Menschen, die zu viel Alkohol trinken?
Ich möchte niemanden bevormunden. Mir gefällt die Botschaft in unserem Film «One for the Road»: Da ist noch so viel mehr. Gleichzeitig verstehe ich aber auch einen jungen Menschen, der sich einmal ausprobieren will. Meine Einstellung ist denn auch weiterhin: Macht, was ihr wollt. Ich finde einfach, irgendwann sollte man an den Punkt kommen, an dem anderes wichtig wird.
Wo triffst du heute deine Freunde?
Wir gehen zusammen Mittagessen …
… und dann trinkst du Wasser ohne Kohlensäure?
Ich trinke Wasser mit Kohlensäure (lacht). Es ist mir aktuell noch zu riskant in Restaurants oder Bars zu gehen, wo ich früher viel Alkohol getrunken haben. Kenne ich einen Ort im Rausch, ist es für mich schwierig, dort nüchtern bleiben. Aber meine Freunde wissen, dass ich mich für ein Leben ohne Alkohol entschieden habe. Trotzdem sind sie nach wie vor meine Freunde. Und wir haben auch immer noch gute Gespräche zusammen. Ich glaube sogar, dass wir heute etwas weniger Schwachsinn reden. Aber unter uns gesagt: Hin und wieder Schwachsinn labern, tut unheimlich gut.
Alkohol hat durchaus auch gute Seiten. Wir alle wissen, was zwei Gläser Wein bewirken können: Dass man sich dann einfacher unterhält, vielleicht sogar die künftige Partnerin oder den künftigen Partner trifft …
Ich denke, es kommt sehr darauf an, welchen Alkohol du trinkst. Whisky oder Wodka haben andere Auswirkungen, als wenn du ein Glas Rotwein geniesst.
Es gibt Menschen, die haben betrunken herausragende Literatur geschrieben.
Das stimmt. Rotwein kann einem helfen seine philosophische Ader zu finden. Aber ich bin je länger, desto mehr überzeugt, dass dies auch ohne Hilfsmittel geht. Vielleicht dauert die Suche dann einfach etwas länger.
Liest du Kritiken über deine Filme?
Manchmal.
Wie nahe gehen dir schlechte Kritiken?
Das ist okay für mich. Hau rein!
Wann hast du einem Kritiker zuletzt einen Klaps auf den Arsch gegeben?
Das habe ich noch nie gemacht. Ich bin selber mein grösster Kritiker und weiss ziemlich genau, ob ein Film gut oder schlecht geworden ist. Mir ist es allerdings auch schon passiert, dass ich während der Dreharbeiten dachte: Wow, ich habe alles total gut gefühlt. Als ich später den ganzen Film angesehen habe, musste ich jedoch feststellen, es kommt nichts rüber.
Wie zufrieden bist du mit deiner Leistung in «One for the Road»?
Sehr zufrieden. Ich denke, «One for the Road» ist ein Film, auf den mich die Menschen auch in vier, fünf Jahren noch ansprechen werden. Es ist ein nachhaltiger Film, auch deshalb, weil wir das Thema «Alkohol» nicht von oben herab angehen.
Der Bruno Bötschi Newsletter
Das deutsche Magazin «Spiegel» schrieb vergangene Woche: «Es gibt Schauspieler, die beherrschen nur eine einzige Sache, die aber besonders gut. Frederick Lau ist so einer. Seine Paraderolle ist der Kumpeltyp, herzlich, anpackend, aber immer auch etwas zu laut.»
Mit dieser Kritik habe ich kein Problem. Ich bin gerne laut.
Welche Eigenschaften machen deine Frau für dich zur Traumfrau?
Annika holt mich hin und wieder runter, wenn ich wieder einmal viel zu laut bin. Meine Frau erdet mich ungemein. Sie glaubt an das Gute im Menschen.
Du auch?
Manchmal nicht.
Antwortest du in Interviews immer ehrlich?
Ich bin ein ziemlich ehrlicher Mensch.
Wann sind Lügen in Ordnung?
Wenn es darum geht, die eigene Familie und Freunde zu beschützen.
Mehr «Bötschi fragt»-Gespräche findest du unter diesem Link.
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