Lagebild Ukraine Überraschend, aber riskant: Putins Erfolg in Otscheretyne

Philipp Dahm

25.4.2024

Trotz neuer Ukraine-Hilfen der USA: Scholz bleibt bei Nein zu Taurus

Trotz neuer Ukraine-Hilfen der USA: Scholz bleibt bei Nein zu Taurus

Bundeskanzler Olaf Scholz bleit bei seinem Nein zur Lieferung der deutschen Taurus-Raketen. Auch die neuen Hilfszusagen der USA an die Ukraine bringen ihn nicht davon ab. Der britische Premier Rishi Sunak und Scholz versprechen dem von Russland angegriffenen Land aber weiterhin in ihrer Hilfe nicht nachzulassen. O-Ton Rishi Sunak, «Heute gehen wir noch weiter, eröffnen ein neues Kapitel in der Sicherheits-Beziehung unserer Nationen.» Die Regierungschefs haben eine Rüstungskooperation vereinbart. Sie wollen eine ferngesteuerte Haubitze entwickeln, die 155-Millimeter-Geschosse 40 Kilometer weit feuern können soll. Grossbritannien und Deutschland stünden zu diesem gefährlichen Zeitpunkt für die Welt Seite an Seite, um Sicherheit und Wohlstand zu Hause und auf dem ganzen europäischen Kontinent zu erhalten. Sunak hat seinerseits gerade das bisher grösste britische Militärpaket für die Ukraine zugesagt. Neben 60 Kampfbooten und Hunderten gepanzerten Fahrzeugen umfasst es auch weitere Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow.

25.04.2024

Wütend ob der westlichen Hilfe greift Russland an, solange die Armee im Vorteil ist. Bei Awdijiwka gelingt sogar ein überraschender Vorstoss. Die anderen beiden Schwerpunkte bleiben Tschassiw Jar und Lyman.

Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Westliche Waffenhilfe macht Russen nicht nur wütend, sondern auch besorgt: Sie fürchten insbesondere um die Kertsch-Brücke.
  • Schwerpunkt 1: Bei Awdijiwka hat die russische Armee eine Lücke gefunden, eine Bresche geschlagen und ist weit vorgestossen. Der überraschende Coup wird erklärt.
  • Schwerpunkt 2: Russland hat die Lufthoheit über Taschassiw Jar, doch am Boden ist die Verteidigung der Stadt schwer zu knacken.
  • Schwerpunkt 3: In Richtung Lyman wird Putins Armee seit Wochen in Terny aufgehalten. Dank Drohnen gelang dem Gegner ein Erfolg.

Die erste Tranche aus dem 61 Milliarden Dollar Hilfspaket für Kiew ist schon unterwegs: In Antizipation der Ereignisse wurde viel Material bereits nach Deutschland und Polen verschifft. Nachdem auch London ein weiteres Hilfspaket geschnürt hat, das 500 Millionen Pfund schwer sein soll, werden in Russland die Nerven dünner.

«Mögen alle Amerikaner auf dem Scheiterhaufen brennen», zitiert die «Kyiv Post» einen russischen Kommentator. «Ich denke, das sind eure letzten Jahre. Euer eigenes Volk wird euch zerreissen.» Prorussische Telegram-Kanäle wie Rybar schieben schon Panik, dass die Kertsch-Brücke bald fällig sein könnte.

Der Grund dafür sind weitere Meldungen über aufgeklärte und zerstörte russische Flugabwehrsysteme ...

... und Radaranlagen. Auf der Krim verfolgen die ukrainischen Streitkräfte schon seit Längerem die Taktik, Lücken in die Luftabwehr zu reissen.

Diese Lücken könnte Kiew ausnutzen, um einen massiven Schlag gegen die Kertsch-Brücke zu führen, die die Krim mit dem russischen Mutterland verbindet.

Schwerpunkt 1: Russlands Coup bei Awdijiwka

An der Front selbst gibt es derzeit drei Schwerpunkte. Ein überraschender Erfolg ist der russischen Armee in Awdijiwka gelungen, der von zwei Faktoren begünstigt worden ist: Zum einen haben die Kräfte des Kremls eine Lücke in der Verteidigung entdeckt und zum anderen zugeschlagen, als die ukrainische Armee in dem Bereich das Personal rotiert hat.

Der russische Vorstoss nach Otscheretyne ist kühn, aber auch riskant: Wladimir Putins Militär läuft Gefahr, dass der Nachschub durch den noch schmalen Korridor unterbrochen wird. Der Gegner versucht offenbar auch, die dortigen Truppen einzukreisen. Ob das gelingt, muss sich zeigen.

Zumindest sind die ukrainischen Streitkräfte in dem Gebiet noch in der Lage, russische Kommandoposten hinter der Frontlinie mit Gleitbomben zu treffen.

Schwerpunkt 2: Zähes Ringen um Tschassiw Jar

Ganz im Gegensatz zu Tschassiw Jar: An diesem Brennpunkt haben russische Jagdbomber die Lufthoheit: Sie agieren ungestraft über der belagerten Stadt und bombardieren regelmässig die Stellungen der Verteidiger.

Am Boden läuft es dafür weniger gut, obwohl Russland viele Truppen aufgefahren hat – darunter auch Luftlandeeinheiten, die auf dem Papier zu den fähigsten Soldaten gehören. Doch Tschassiw Jar liegt erhöht hinter einem Kanal und hat ausgebaute defensive Anlagen, schreibt der finnische Militärexperte Emil Kastehelmi.

Tschassiw Jars Quartier Kanal steht im russischen Fokus.
Tschassiw Jars Quartier Kanal steht im russischen Fokus.
YouTube/Reportimg from Ukraine

Derzeit konzentrieren die Kämpfe auf den Stadtteil Kanal, der östlich der Wasserverbindung liegt. Weil Frontalattacken bisher erfolglos waren, versuchen die Russen, das Quartier einzukreisen, das über zwei Brücken versorgt wird, weiss Reporting from Ukraine.

Die ukrainische Armee hat zwischen den Ivanivske und Klischtschijwka Boden gutgemacht.
Die ukrainische Armee hat zwischen den Ivanivske und Klischtschijwka Boden gutgemacht.
DeepStateMap

Die jüngste DeepStateMap zeigt, dass russische Infanterie versucht, Schneisen in den Wald zu schlagen. Dort hat sie den Vorteil, weniger verwundbar für Drohnenangriffe zu sein. Allerdings hat die ukrainische Armee in dem Gebiet auch zurückschlagen können: Eine Gegenoffensive zwischen den Dörfern Ivanivske und Klischtschijwka ist erfolgreich.

Schwerpunkt 3: Terny will nicht fallen

Ein Schwerpunkt des russischen Militärs ist auch der Vorstoss von Kreminna Richtung Lyman, der an dem Dorf Terny hakt. Seit Wochen schon versuchen die Russen, Terny einzunehmen, das vertieft an einem Gewässer liegt.

Markiert: das Dorf Terny. Über dieses will die russische Armee von Kreminna (A) nach Lyman (B) vorrücken. Hauptziel sind Slowjansk (C) und die Nachbarstadt Kramatorsk.
Markiert: das Dorf Terny. Über dieses will die russische Armee von Kreminna (A) nach Lyman (B) vorrücken. Hauptziel sind Slowjansk (C) und die Nachbarstadt Kramatorsk.
DeepStateMap/phi

Doch nach wie vor gelingt es den Verteidigern vor allem mithilfe von Drohnen, sich zu wehren.

Bei lohnenden Zielen kommt auch Artillerie zum Einsatz.

Dank der Drohnenunterstützung und einer Rotation der Truppen ist es in diesem Frontabschnitt nicht nur gelungen, massive mechanisierte Attacken zurückzuschlagen. Es konnte sogar ein erfolgreicher Gegenangriff durchgeführt werden, berichtet Reporting from Ukraine.

Die jüngsten russischen Angriffe auf Terny sind fehlgeschlagen. Stattdessen hat der Gegner Raum gewonnen. Belegte ukrainische Drohnenangriffe sind mit einem Icon gekennzeichnet.
Die jüngsten russischen Angriffe auf Terny sind fehlgeschlagen. Stattdessen hat der Gegner Raum gewonnen. Belegte ukrainische Drohnenangriffe sind mit einem Icon gekennzeichnet.
Youtube/Reporting from Ukraine