Die Krankenkassenprämien sorgen für Löcher im Portemonnaie – und Bauchschmerzen bei den Schweizer*innen. Auf dem aktuellen Sorgenbarometer steht das Thema «Gesundheit und Krankenkassen» ganz oben.
Auch für das Jahr 2025 dürften die Prämien der Krankenkassen wieder stark ansteigen. In den ersten Monaten stiegen die Gesundheitskosten in der Schweiz um fast 7 Prozent, ein Ende des Prämienanstiegs ist derzeit nicht in Sicht.
Der drohende Anstieg dürfte auch das Hauptthema im anstehenden Abstimmungswahlkampf sein. Denn die Schweizer Bevölkerung stimmt am 9. Juni über zwei verschiedene Vorlagen zum Kampf gegen Kosten- und Prämienwachstum ab. Am Freitag hat Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider die Position des Bundesrats zu den Vorlagen bekannt gegeben.
blue News erklärt die beiden Initiativen und erläutert die Argumente der Befürworter und Gegner.
Das will die Prämien-Entlastungs-Initiative
Mit der Prämien-Entlastungs-Initiative sollen die Krankenkassenprämien gedeckelt werden und neu nicht mehr als 10 Prozent des verfügbaren Einkommens ausmachen. Gemäss Initiativtext soll der Bund zwei Drittel der Gesamtausgaben übernehmen. Die Kantone sollen einen Drittel finanzieren.
Das Parlament hätte bei einer Annahme der Initiative drei Jahre Zeit, den neuen Verfassungsartikel auf Gesetzesstufe umzusetzen. Gelänge dies nicht, müsste der Bundesrat die Bestimmungen vorübergehend auf dem Verordnungsweg erlassen.
Heute bezahlt der Bund 7,5 Prozent der Bruttokosten für die Grundversicherung. Die Kantone bezahlen den Rest. Im Jahr 2022 wurden rund 5,4 Milliarden Franken an öffentlichen Geldern für Prämienverbilligungen aufgewendet. Der Bund hat mehr als die Hälfte davon bezahlt.
Wer profitiert am meisten bei einem Ja?
Mit einem Ja zum Volksbegehren werde die Belastung der Menschen durch die explodierenden Prämien reduziert, sagt die SP als Initiantin. Die Initiative schütze nicht nur Personen mit kleinen Löhnen vor Kaufkraftverlust, sondern auch Familien, Rentnerpaare und Personen mit durchschnittlichen Einkommen.
Eine vierköpfige Familie mit einem Haushaltseinkommen von zusammen 9'000 Franken netto würde laut den Initiantinnen und Initianten monatlich im Schnitt mehrere Hundert Franken sparen. Personen mit einem Einkommen von 5'000 Franken und weniger würden besonders profitieren. Damit profitieren nicht nur Personen mit einem tiefen, sondern auch mit einem mittleren Einkommen.
Wie hoch sind die Kosten?
Die jährlichen Mehrkosten der Initiative würden für Bund und Kantone 3,5 bis 5 Milliarden Franken pro Jahr betragen, sagen die Gegner. Sie führen die Kosten als Hauptargument ins Feld. Angesichts der Finanzlage des Bundes sei ein solcher Mehrbetrag nicht verkraftbar. Bundesrat, Parlament und Kantone lehnen das Volksbegehren ab. Mit der Initiative würde das Problem der steigenden Gesundheitskosten nur symptomatisch, nicht aber an der Wurzel bekämpft, machen die Gegner geltend.
Laut den Gegnern würde zudem der Kreis von Personen, die von Prämienverbilligungen profitieren, stark vergrössert werden – mit massiven finanziellen Folgen. «Längerfristig ist davon auszugehen, dass die Prämienbelastung von 10 Prozent bei fast allen Versicherten – mit Ausnahme der Bezügerinnen und Bezüger von sehr hohen Einkommen – überschritten wird», schreibt der Bundesrat in einer Mitteilung vom Freitag.
Die Gegner hätten lieber den vom Parlament verabschiedeten indirekten Gegenvorschlag, der bei einem Nein zur Initiative in Kraft treten würde. Dieser helfe, die finanzielle Belastung der Menschen kurz- bis mittelfristig zu senken.
Demnach müssten die Kantone künftig einen Mindestbeitrag von 3,5 bis 7,5 Prozent der Kosten der obligatorischen Grundversicherung für die Prämienverbilligung aufwenden. Das würde für die Kantone Mehrkosten von etwa 356 Millionen Franken bedeuten.
Das Konzept sieht weiter vor, dass weiterhin die Kantone die Kompetenz für die Berechnung des genauen Prämienverbilligungsbetrags haben werden.
Wie stehen die Chancen für eine Annahme?
Obwohl nur linke Kreise die Ja-Parole zur Initiative fassen dürften, hat die Vorlage realistische Chancen auf eine Annahme. Laut einer Tamedia-Umfrage vom Februar hätten 64 Prozent der Befragten die Initiative befürwortet.
Was fordert die Kostenbremse-Initiative?
Das Volksbegehren der Mitte-Partei verlangt die Einführung einer Kostenbremse in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, und es will den Reformstau auflösen.
Konkret heisst das: Steigen die Kosten im Gesundheitssektor pro Jahr 20 Prozent mehr als die Löhne und haben die Tarifpartner – also Kantone, Spitäler, Ärzteschaft, Krankenkassen und Pharmabranche – bis zu diesem Zeitpunkt keine Massnahmen ergriffen, müssen Bund und Kantone umgehend kostendämpfende Massnahmen beschliessen.
Die Massnahmen müssen im folgenden Jahr wirken. Wie stark die Kosten längerfristig steigen dürfen, muss das Parlament im Gesetz festlegen.
Klar ist aber: Bei einer Annahme sind sofortige Massnahmen zwingend. In den vergangenen zehn Jahren sind die Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung um etwa 31 Prozent gewachsen, während die Löhne im gleichen Zeitraum nur um rund 6 Prozent gestiegen sind.
Wo soll gespart werden?
Die genaue Ausgestaltung der Kostenbremse und der Massnahmen, mit denen Bund und Kantone die Kosten dämpfen sollen, wird im Initiativtext nicht näher ausgeführt. Das Parlament muss dies im Gesetz regeln.
Laut der Mitte gibt es jedoch verschiedene Möglichkeiten. Dazu zählt sie beispielsweise die zu teuren Medikamente. Diese kosteten in der Schweiz teilweise fünfmal so viel wie im Ausland. Das mache für die Prämienzahlenden 400 Millionen Franken pro Jahr aus.
Mit vermehrten ambulanten statt stationären Behandlungen könnte laut den Initiantinnen und Initianten jährlich eine weitere Milliarde Franken eingespart werden.
Weshalb ist der Bund dagegen?
Bundesrat, Parlament und Kantone anerkennen die Wichtigkeit der Kostendämpfung, lehnen die Initiative aber ab, weil die ausschliessliche Koppelung des Bremsmechanismus an die Wirtschafts- und Lohnentwicklung zu kurz greife und zu starr sei.
Zudem berücksichtige die Kostenbremse Faktoren wie die Alterung der Bevölkerung oder medizinisch-technische Fortschritte nicht.
Auch bei der Kostenbremse-Initiative gibt es einen indirekten Gegenvorschlag – was sieht dieser vor?
Der indirekte Gegenvorschlag wurde vom Parlament verabschiedet und soll bei einem Nein zur Initiative in Kraft treten würde. Dieser sieht vor, dass der Bundesrat in Absprache mit den Akteuren des Gesundheitswesens alle vier Jahre festlegt, wie stark die Kosten in der obligatorischen Krankenversicherung höchstens steigen dürfen.
Die Kantone können zudem eigene Kosten- und Qualitätsziele festlegen, wobei sie die Vorgaben des Bundesrates berücksichtigen und die Versicherer, Versicherten und Leistungserbringer vorgängig anhören.
Eine Kommission für das Kosten- und Qualitätsmonitoring überwacht die Entwicklung der Kosten und gibt zuhanden des Bundes und der Tarifpartner Empfehlungen zu geeigneten Kostendämpfungsmassnahmen ab.