Bötschi fragt Vilson Krasnic: «Ich kann mir vorstellen, Tim Mälzer zu schlagen»

Von Bruno Bötschi

14.10.2023

«Eine Träne habe ich wegen eines Essens noch nie verdrückt, aber ich habe schon Hühnerhaut bekommen»: Vilson Krasnic.
«Eine Träne habe ich wegen eines Essens noch nie verdrückt, aber ich habe schon Hühnerhaut bekommen»: Vilson Krasnic.
Bild: zVg

«Diesen Namen sollte man sich merken», steht im GaultMillau. Ein Gespräch mit Vilson Krasnic, Chefkoch im Zürcher «Elmira» über seine Küche, die Kochkünste seiner Mutter und was das mit Tim Mälzer zu tun hat.

Von Bruno Bötschi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Vilson Krasnic ist Chefkoch im Restaurant «Elmira» in Zürich.
  • Im «Elmira» arbeiten die Köche mitten im Gastraum, weisse Tischwäsche sucht der Gast vergebens – und noch bemerkenswertester: Bezahlt wird im Voraus.
  • «Ein Essen sollte alle Sinne erfüllen können. Also nicht nur den Mund, sondern auch die Augen, die Ohren und die Nase. Und ganz wichtig: Ein Menü sollte mit viel Liebe zubereitet werden», sagt Krasnic im Gespräch mit blue News.

Vilson Krasnic, ich stelle dir in den nächsten 30 Minuten möglichst viele Fragen. Und du antwortest bitte möglichst kurz und schnell. Wenn dir eine Frage nicht passt, sagst du einfach «weiter».

Weiter.

Salz oder Pfeffer?

Salz.

Fondue oder Rösti?

Rösti.

Lauch oder Luxus?

Lauch.

Gibt es für dich so etwas wie das perfekte Lebensmittel?

Da müsste ich jetzt länger darüber nachdenken. Was ich sagen kann: Die Natur ist perfekt.

Gibt es Lebensmittel, die du nicht magst, aber trotzdem isst, weil sie gesund sind?

Ich esse hin und wieder Rosenkohl, obwohl er kein Lieblingsgemüse von mir ist. Kohl beinhaltet viele Vitamine und Ballaststoffe. Ab und an mixe ich mir auch einen Spinat-Smoothie. Den mag ich auch nicht besonders gerne, aber ich weiss, dass Spinat dem menschlichen Körper guttut.

So grundsätzlich: Welche Bedeutung hat Essen für dich?

Essen ist Kultur. Essen ist Genuss. Essen bedeutet Zusammensein mit Menschen. Essen ist für mich viel mehr als nur Nahrungsaufnahme.

Warum bist du Koch geworden?

Durch Zufall. Anfänglich hatte ich eine ganz andere Berufsgattung im Sinn.

Welche?

Zum Autor: Bruno Bötschi
Bild: blue News

blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.

Ich wollte etwas mit Autos und Motoren machen. Eine Ausbildung als Uhrmacher fand ich auch spannend. Dort wurde ich jedoch abgelehnt, weil meine schulischen Leistungen nicht gut genug gewesen sein sollen. Irgendwann schlug mir ein Kollege meines Bruders vor, ich solle einen Schnuppertag als Koch absolvieren. Aus dem Tag wurde eine Woche. Danach war mir klar: Ich will Koch werden.

Wenn du zurückdenkst: Was war der Geschmack deiner Kindheit?

Gefüllte Paprika.

Was kochte deine Mutter unvergleichlich gut?

Gefüllte Paprika.

Kennt deine Mutter ein Geheimrezept?

Sehr viel Liebe und sehr viel Crème fraîche.

Stand dein Vater auch in der Küche?

Nie.

Wer hat dir das Kochen beigebracht?

Mein Lehrmeister im Hotel Seeburg in Luzern. Erst später habe ich den einen oder anderen Kniff bei meiner Mutter abgeschaut. Als Kind sass ich einfach am Tisch und habe gegessen, ohne mir Gedanken zu machen, was es alles braucht, bis ein Gericht auf dem Tisch steht. Die Kreativität meiner Mutter lernte ich erst als junger Erwachsener richtig zu schätzen.

Deine Mutter ist demnach eine gute Köchin?

Eine sehr gute sogar.

«Als Kind sass ich einfach am Tisch und habe gegessen, ohne mir viel Gedanken zu machen, was es alles braucht, bis ein Gericht auf dem Tisch steht»: Vilson Krasnic.
«Als Kind sass ich einfach am Tisch und habe gegessen, ohne mir viel Gedanken zu machen, was es alles braucht, bis ein Gericht auf dem Tisch steht»: Vilson Krasnic.
Bild: zVg

Hast du ein schlechtes Gewissen, wenn du deinen Teller nicht leer isst?

Ja. Mir wurde als Kind beigebracht, dass ich alles, was ich schöpfe, aufzuessen habe.

Ist Kochen ein Fleiss- oder Talentberuf?

Wer nicht fleissig ist, wird als Koch kaum etwas erreichen können.

Muss eine Köchin, ein Koch ein Erfinder sein?

Es ist von Vorteil, wenn ein Koch ein Erfinder ist. Er kann sich besser entfalten. Ich glaube jedoch, auch ein Mensch ohne erfinderische Ader kann ein guter Koch werden.

Tut es manchmal weh, kreativ zu sein?

Hin und wieder schon. Kreativität kann nicht erzwungen werden.

Wirklich wahr, dass du deine Kreationen zuerst zeichnest, bevor du sie auf dem Teller anrichtest?

Teils teils. Mit den Zeichnungen kann ich mir visuell noch besser vorstellen, wie die verschiedenen Zutaten und Farben auf dem Teller zusammenpassen.

Essen sei die neue Religion, heisst es immer wieder. Stört dich diese Entwicklung?

Eine Religion ist eine Religion. Essen ist keine Religion.

Was sollte Essen in deinen Augen sein?

Ein Essen sollte alle Sinne erfüllen können. Also nicht nur den Mund, sondern auch die Augen, die Ohren und die Nase. Und ganz wichtig: Ein Menü sollte mit viel Liebe zubereitet werden. Ich bin überzeugt, dass der Gast dies spüren kann.

Schon einmal eine Träne verdrückt, weil dir ein Menü derart gut schmeckte?

Eine Träne habe ich wegen eines Essens noch nie verdrückt, aber ich habe schon Hühnerhaut bekommen.

«Den Namen Vilson Krasnic sollte man sich merken», stand vor ein paar Jahren im GaultMillau Schweiz. Hatten die Autor*innen des Restaurantführers recht?

Dieser Kommentar war für mich Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich bin ein Mensch, der auch nach einer Niederlage nicht das Handtuch hinwirft, sondern immer wieder aufsteht und weitermacht. Und deshalb: Der GaultMillau hatte recht.

Dein Kurzkommentar zum Restaurantführer Guide Michelin?

Objektiv, professionell, einer der präzisesten Guides auf der Welt.

Dein Kurzkommentar zum Restaurantführer GaultMillau?

Ein Guide, der die Restaurants sehr gut beschreibt.

Lieber Sternekoch als Fernsehkoch?

Definitiv.

Woran erkennt ein Gast eine Kreation von Vilson Krasnic?

Ich bin immer noch dabei, Gerichte zu kreieren, die meine ureigene Originalität und Kreativität zeigen. Bei manchen Speisen gelingt mir das schon gut. Ich sage trotzdem, ich brauche noch etwas Zeit, bis wirklich bei all meinen Gerichten meine Handschrift erkennbar ist. Was der Gast bei meinen Kreationen immer erwarten darf, ist eine gewisse Verspieltheit und eine schöne Harmonie bei den Geschmäckern.

«Was der Gast bei meinen Kreationen immer erwarten darf, ist eine gewisse Verspieltheit und eine schöne Harmonie bei den Geschmäckern»: Vilson Krasnic.
«Was der Gast bei meinen Kreationen immer erwarten darf, ist eine gewisse Verspieltheit und eine schöne Harmonie bei den Geschmäckern»: Vilson Krasnic.
Bild: zVg

Träumst du während der Nacht von neuen Menükreationen?

Permanent. Mir passiert es auch oft, dass ich morgens erwache und denke: Jetzt habe ich die Lösung für ein Gericht gefunden.

Als Schüler hast du von anderem geträumt – unter anderem von einem Treffen mit der Miss Schweiz Bianca Sissing

Wer hat das behauptet?

In der «Neuen Luzerner Zeitung» vom 7. November 2003 stand über die Eröffnung des «Surseepark»-Einkaufszentrums geschrieben: «Vilson Krasnic aus der dritten Realklasse hat es von Anfang an auf ein Treffen mit der Miss Schweiz abgesehen. Stolz zeigt er seinen Kollegen das Polaroidfoto seines kurzen Rendez-Vous. ‹Sie ist einfach megahübsch, noch schöner als im Fernsehen.›»

Hey, daran kann ich mich wirklich nicht mehr erinnern. Aber es stimmt, Bianca Sissing ist eine schöne Frau.

Vor einem Jahr wurde euer Restaurant Elmira»im Untergeschoss des alten Löwenbräu-Silos in Zürich eröffnet. Das Besondere an eurem Lokal: Der Gast zahlt bereits bei der Reservation – und zwar einen Fixpreis für einen Siebengänger von 290 Franken. Wie kommt’s?

Das hat mehrere Gründe: Der wichtigste ist die Planungssicherheit für uns als Team. Wir können den Food Waste so auf das absolute Minimum reduzieren, denn wir wissen genau, wie viel Fleischesser, wie viel Vegetarier und wie viel Veganer bei uns an einem Abend essen. Aktuell essen 75 Prozent unserer Gäste das Fleisch-Menü, 15 Prozent wählen die vegetarische Variante, während der Rest alle Gänge ohne tierische Produkte bestellt, also vegan isst.

Im «Elmira» wollen wir unseren Gästen die Möglichkeit bieten, dass sie wie in einem Theater eine Vorstellung buchen können. Dabei sollen sie am Schluss nicht noch irgendeine Überraschung erleben müssen, die den Abend plötzlich viel teurer werden lässt.

Und wenn ein Gast grossen Durst hat und viel Wein trinkt.

Das ist erlaubt.

Was passiert, wenn ein Gast kurzfristig verhindert ist?

Dann bieten wir ihm einen Gutschein an, damit er das «Elmira» zu einem späteren Zeitpunkt besuchen kann. Falls das nicht möglich ist, überweisen wir ihm das Geld zurück.

Wenn man dem 2018 verstorbenen New Yorker Küchenchef Anthony Bourdain glaubt, dann ist Kochen: «Sex, Drugs and Rock'n'Roll». Im «Elmira» stelle ich mir das kompliziert vor: Ihr kocht vor den Augen der Gäste …

Ach, ich mag es sowieso nicht, wenn es laut wird in der Küche. Herumschreien ist nie eine Lösung. Druck und Konzentration sind bei uns kurz vor dem Eintreffen der Gäste am höchsten. Sobald die Gäste an den Tischen sitzen, schalten auch wir in den Entspannungsmodus.

Geht Liebe durch den Magen?

Das ist ein Klischee.

Verliebte Köch*innen versalzen das Essen.

Ich versalze mein Essen grundsätzlich nicht, obwohl ich auch schon verliebt war (lacht).

Was schlägt dir auf den Magen?

Spontan kommt mir gerade nichts in den Sinn.

Das «Elmira»-Team umsorgt seine Gäste den ganzen Abend lang (von links nach rechts): Vilson Krasnic (Chefkoch), Dominik Schmitz (Sous-Chef), Benjamin Décôtes-Genon (Chef de Partie) und Nicolas Bernet (Gastgeber/Sommelier).
Das «Elmira»-Team umsorgt seine Gäste den ganzen Abend lang (von links nach rechts): Vilson Krasnic (Chefkoch), Dominik Schmitz (Sous-Chef), Benjamin Décôtes-Genon (Chef de Partie) und Nicolas Bernet (Gastgeber/Sommelier).
Bild: Urs Jaudas

In welcher Disziplin in der Küche bist du am schlechtesten?

Beim Entscheidungen treffen.

Wann hast du dir zum letzten Mal in der Küche in den Finger geschnitten?

(Vilson Krasnic schaut seine Hände an) Vor einem halben Jahr.

Was kannst du am Kochen überhaupt nicht leiden?

Ich mag es nicht, wenn jemand schlecht organisiert ist und der Arbeitsplatz nicht sauber ist.

Welches Lebensmittel hat es bei dir daheim immer im Kühlschrank?

Eine gut gewürzte Chilisauce.

Selber gemacht?

Es darf auch eine gekaufte Sauce sein.

Was kochst du am liebsten, wenn du daheim bist?

Daheim koche ich gerne Freestyle. Das heisst, ich schaue in meinen Kühlschrank, sehe ein paar Produkte und würfle die kreativ zusammen.

Du wärst der perfekte Gegner für Tim Mälzer in seiner TV-Kochsendung «Kitchen Impossible».

Das ist total mein Ding.

Falls dich Tim Mälzer für seine Sendung einladen würde, nähmst du die Herausforderung an?

Das würde ich, ja.

Wie schätzt du deinen Gewinnchancen ein?

Ich kann mir durchaus vorstellen, Tim Mälzer zu schlagen. Ich muss allerdings zugeben, er hat schon Leute geschlagen, bei denen ich es absolut nicht erwartet hätte. Mälzer ist extrem stark, in dem, was er tut.

Du scheinst ein grosser Fan von Tim Mälzer zu sein.

Ich gebe zu, ich mag seine Art. Das hat nicht zuletzt auch mit folgender Geschichte zu tun: Während meiner Kochlehre im Hotel Seeburg in Luzern war er unser Gast.

Du hast schon für Mälzer gekocht?

Nein. Tim war im Jahr 2006 auf Schlemmerreise durch die Schweiz. Bei uns im Hotel produzierte er ein Birchermüesli-Video. Als Lehrling musste ich ihm die Mise en Place vorbereiten und sie ihm servieren. Allein schon deshalb wäre es witzig, wenn ich in seiner TV-Show «Kitchen Impossible» einmal gegen ihn antreten könnte.

Schaust du gerne Kochsendungen?

«Kitchen Impossible» schaue ich regelmässig. Auch die Kochsendungen von Gordon Ramsay mag ich. Das Format «Kochduell» mit Steffen Henssler ist weniger mein Geschmack.

Dein Lieblingsrestaurant in Zürich?

Ich liebe das «Lumière». Es ist ein bodenständiges Lokal und trifft meinen Alltagsgeschmack.

Dein Lieblingsrestaurant im Rest der Schweiz?

Diese Antwort ist jetzt vielleicht etwas frech. Ich mag das Restaurant Dal Mulin in St. Moritz sehr gerne. Es wird von meinem Bruder Danijel und seiner Frau Kathrin geführt.

Im «Dal Mulin» hast du einst selber viereinhalb Jahre gekocht.

So ist es. Ebenfalls gerne mag das Restaurant Talvo von Martin Dalsass in St. Moritz-Champfèr.

Dein Lieblingsrestaurant in Europa?

Ich muss ehrlich sagen, ich bin noch nicht so viel in der Welt herumgekommen. In den letzten Jahren habe ich immer viel gearbeitet. Ein Restaurant, das ich jedoch gerne weiterempfehle, ist das «Puntulina» in Rovinj, Kroatien. Es bietet eine unkomplizierte mediterrane Küche an.

Mehr «Bötschi fragt»-Gespräche findest du unter diesem Link.


Mehr Videos aus dem Ressort

Starkoch René Schudel: «Mein Essen soll die Gäste nicht stressen»

Starkoch René Schudel: «Mein Essen soll die Gäste nicht stressen»

Breite Schultern, schwere Eisenkette um den Hals: Starkoch René Schudel ist kein zartbesaiteter Gourmet, sondern mag es gerne direkt und unkompliziert. In seinem Restaurant Stadthaus in Unterseen BE konnte blue News ihm über die Schulter schauen.

22.05.2018