Regierung spricht von «politischem Motiv» Slowakischer Regierungschef Robert Fico soll nach Not-OP ausser Lebensgefahr sein

dmu

16.5.2024

Entsetzen nach Schüssen auf slowakischen Ministerpräsidenten

Entsetzen nach Schüssen auf slowakischen Ministerpräsidenten

Nach dem Schusswaffenangriff auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico befindet sich dieser offiziellen Angaben zufolge in einem kritischen Zustand. Ein Tatverdächtiger wurde festgenommen.

15.05.2024

Nach Schüssen auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico ist dessen Notoperation offenbar gut verlaufen. Der mutmassliche Täter soll geäussert haben, dass er mit Ficos Politik nicht einverstanden war.

dmu

16.5.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der bei einem Attentat lebensgefährlich verletzte slowakische Regierungschef Robert Fico hat nach einer mehrstündigen Operation laut Medienberichten wieder das Bewusstsein erlangt.
  • Fico war am Mittwochnachmittag in der Bergbaustadt Handlova von einem 71-Jährigen niedergeschossen worden.
  • Das Attentat hatte nach Einschätzung der Regierung ein «politisches Motiv».
  • Die Polizei teilte mit, der Angreifer sei festgenommen worden.
  • Medien berichteten, dass auch die Frau des mutmasslichen Schützen von der Polizei verhört wurde.

Der bei einem Attentat lebensgefährlich verletzte slowakische Regierungschef Robert Fico hat nach einer mehrstündigen Operation laut Medienberichten wieder das Bewusstsein erlangt. Allerdings machten weder der Fernsehsender TA3 noch die Zeitung «Dennik» in ihrer Onlineausgabe in der Nacht zum Donnerstag nähere Angaben über den Gesundheitszustand Ficos. Stand Mittwochabend hatte es nach offiziellen Angaben geheissen, der 59-Jährige befinde sich in Lebensgefahr. Eine neue Stellungnahme oder Erklärung der Regierung gab es seitdem nicht.

Fico war am Mittwochnachmittag in der Bergbaustadt Handlova von einem 71-Jährigen niedergeschossen worden. Laut Augenzeugen schoss er nach einer Kabinettssitzung mehrmals auf Fico, als dieser vor der Tür Anhänger begrüssen wollte. Insgesamt soll er fünf Schüsse auf den linksnationalen Politiker abgegeben haben. Nach Einschätzung der Regierung hatte der Mann ein politisches Motiv. 

Das Attentat hatte nach Einschätzung der Regierung ein «politisches Motiv». Das sagte Innenminister Matus Sutaj Estok am Mittwochabend vor Journalisten in der Klinik in Banska Bystrica, wo Fico operiert wurde.

Angreifer festgenommen

Der 59-jährige linksnationale Politiker wurde nach der Bluttat in der Stadt Handlova am Mittwoch per Helikopter in ein Spital geflogen. Die Polizei teilte mit, der Angreifer sei festgenommen worden. Medien berichteten, dass auch die Frau des mutmasslichen Schützen von der Polizei verhört wurde.

Festnahme eines Mannes am Tatort in der Stadt Handlova. (15. Mai 2024)
Festnahme eines Mannes am Tatort in der Stadt Handlova. (15. Mai 2024)
Bild: Keystone/XINHUA/News Agency of the Slovak Republic

Nach Informationen des TV-Senders TA3 soll es sich bei dem Täter um Juraj C., einen ehemaligen Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, handeln. Offiziell bestätigt wurde das zunächst nicht. Trotz eines Informationsembargos gelangte der Sender an eine Videoaufnahme aus der Klinik. Darin sagte der benommen wirkende mutmassliche Attentäter: «Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu.» Als konkretes Beispiel nannte er mit undeutlicher Stimme die von der Regierung geplante Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS, gegen das seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren.

Innenminister Sutaj Estok kündigte verstärkten Polizeischutz für Politiker, aber auch Journalisten an. Zugleich rief er Medien, Politiker aller Lager und die Öffentlichkeit auf, mit der «Hetze gegen politische Gegner in sozialen Medien» aufzuhören. In ähnlichem Sinn hatte sich davor auch schon Präsidentin Zuzana Caputova geäussert.

Klima der Feindschaft zwischen politischen Parteien

Der liberale Oppositionsführer Michal Simecka sagte am Mittwochabend alle geplanten politischen Aktionen für unbestimmte Zeit ab. Das betreffe auch eine für Mittwochabend geplante Demonstration gegen die Regierung in Bratislava, sagte er vor Journalisten im Parlament. Eine am Mittwoch laufende Parlamentssitzung wurde schon davor für unbestimmte Zeit unterbrochen.

Am Mittwochabend schwebte Fico noch in Lebensgefahr. Das Spital in der Regionalhauptstadt Banska Bystrica verhängte eine Informationssperre.

Fico hatte erst vor wenigen Tagen der liberalen Opposition vorgeworfen, ein Klima der Feindschaft gegen seine Regierung zu schüren. Es sei nicht auszuschliessen, dass es angesichts der aufgeheizten Stimmung irgendwann zu einer Gewalttat komme.

Der Gründer und Chef der zuletzt immer nationalistischer gewordenen Linkspartei Smer-SSD ist seit fast 30 Jahren einer der beliebtesten Politiker der Slowakei. Er polarisiert aber zugleich die slowakische Gesellschaft wie kaum ein anderer. Gegner nennen ihn «prorussisch» und werfen ihm vor, die Slowakei auf einen ähnlichen Kurs wie Viktor Orbans Ungarn führen zu wollen.

In einem Posting auf der Facebook-Seite des Regierungschefs ist von einem lebensbedrohlichen Zustand Ficos die Rede. Er werde in ein Spital in der nahe gelegenen Stadt Banska Bystrica gebracht, wo er operiert werde. «Die nächsten Stunden werden entscheiden», steht im Beitrag.

Die Polizei evakuierte das Kulturhaus, in dem die Regierungssitzung abgehalten worden war.

Augenzeugin: Schütze hat auf Fico gewartet

Augenzeugen haben von den dramatischen Szenen berichtet. «Kurz bevor ich ihm die Hand geben wollte, habe ich vier Schüsse gehört. Robert fiel auf den Boden», sagte ein Mann am Mittwoch auf dem Platz vor dem Haus der Kultur in Handlova im öffentlich-rechtlichen Sender RTVS. Er stehe unter Schock. «Das ist etwas Schreckliches, das waren Schüsse von hinten», fügte er hinzu. Über den Schützen sagte eine Frau dem Sender: «Der Mann stand dort von Anfang an. (...) Er hat nur noch gewartet.»

Eine andere Augenzeugin berichtete der Website «Dennik N», sie habe drei oder vier Schüsse gehört. Sie sah Wunden an Ficos Kopf und seiner Brust. Der Premier sei zu Boden gestürzt und von Sicherheitskräften in ein Auto gehoben worden.

Slowakischer Innenminister ruft zur Mässigung auf

Der slowakische Innenminister Matus Sutaj Estok hat nach dem Attentat auf Regierungschef Robert Fico zur Mässigung aufgerufen. «Es ist völlig natürlich, dass die Emotionen aufgepeitscht sind, aber es wäre sehr schlimm, diesen gefährlichen Zustand noch weiter zu verschärfen», warnte der Politiker am Mittwoch bei Facebook.

Die Schüsse auf Fico nach einer Kabinettssitzung in Handlova bezeichnete er als ein «Attentat auf die Demokratie». Unter dem Eindruck des Angriffs hatten einzelne Politiker der Regierungsparteien der Opposition eine Mitverantwortung für die Gewalttat angelastet, was auf Proteste stiess.

Der ehemalige Langzeitregierungschef Robert Fico amtiert erneut als Ministerpräsident der Slowakei. (Archivbild)
Der ehemalige Langzeitregierungschef Robert Fico amtiert erneut als Ministerpräsident der Slowakei. (Archivbild)
Bild: Keystone/AP Photo/Denes Erdos

Auch die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd zeigte sich zutiefst schockiert über den Angriff auf den slowakischen Premierminister Robert Fico. «Die Schweiz verurteilt alle Gewalttaten», schrieb sie am Mittwoch auf dem Kurznachrichtendienst X.

«In diesen unruhigen Zeiten müssen wir unser Bestes tun, um die Demokratie zu schützen», so Amherd auf Englisch weiter. Dem Premierminister, seiner Familie und dem slowakischen Volk spreche die Schweiz ihre Unterstützung aus.

Biden und Guterres sind schockiert

US-Präsident Joe Biden hat die Schüsse auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico als «schreckliche Gewalttat» verurteilt. Er und seine Frau Jill beteten für Ficos rasche Genesung, schrieb Biden in einer vom Weissen Haus am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung. «Unsere Gedanken sind bei seiner Familie und dem slowakischen Volk», hiess es weiter. Die US-Botschaft stehe in engem Kontakt mit der slowakischen Regierung und sei bereit, zu helfen.

UN-Generalsekretär António Guterres hat die Schüsse auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico «aufs Schärfste» verurteilt. Die Vereinten Nationen sprachen von einem schockierenden Angriff. «Die Gedanken des Generalsekretärs sind in diesem schwierigen Moment beim Ministerpräsidenten und seinen Angehörigen», sagte ein Sprecher am Mittwoch in New York.

Fico hatte vor wenigen Tagen der liberalen Opposition vorgeworfen, ein Klima der Feindschaft gegen die Regierung zu schaffen. Es sei nicht auszuschliessen, dass es in einem solchen Klima irgendwann zu einer Gewalttat komme.

Fico wurde 2023 zum Regierungschef gewählt. Bereits zwischen 2006 und 2010 sowie 2012 und 2018 bekleidete er das Amt.