Bötschi fragt Charles Nguela: «Ich bin erst seit fünf Wochen Schweizer»

Von Bruno Bötschi

1.4.2023

Charles Nguela: «Wir sollten offener gegenüber dem Unbekannten sein»

Charles Nguela: «Wir sollten offener gegenüber dem Unbekannten sein»

Er bringt seit zehn Jahren die Menschen in unserem Land zum Lachen. Komiker Charles Nguela liebt die Schweizer*innen sehr – trotzdem hat er einen grossen Herzenswunsch.

27.03.2023

Er bringt seit zehn Jahren die Schweiz zum Lachen: Komiker Charles Nguela über rassistische Landsleute und den Absturz der Credit Suisse – und darüber, wie sein Humor sich verändert hat, seit er Vater ist.

Von Bruno Bötschi

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Charles Nguela bringt seit zehn Jahren die Schweiz zum Lachen.
  • Der Komiker spricht im Interview über seine Familie und den Rassismus in der Schweiz.
  • Er verrät, warum Magdalena Martullo-Blocher und Erich Hess die besten Witzlieferanten der Schweizer Politik sind.
  • Der 33-Jährige spricht zudem erstmals öffentlich über seine Rolle als Vater und sagt, warum er gerade sein Testament verfasst.

Der Komiker und der Journalist treffen sich am späten Freitagnachmittag im Entrée des Stadthaussaals in Effrektikon ZH. In drei Stunden steht Charles Nguela auf der Bühne. Vor ausverkauftem Haus.

Der 33-Jährige gehört seit 2014 zum helvetischen Entertainmentbetrieb. Damals gewann er zwei «Swiss Comedy Awards» – in den Kategorien «bester Comedy Act» und «Publikumsliebling».

Nguela setzt sich und sagt: «Ich habe heute noch vor jedem Auftritt Angst.» Der Komiker bestellt einen Tee, dann kann das Interview losgehen.

Charles Nguela, ich stelle dir in den nächsten 45 Minuten möglichst viele Fragen. Und du antwortest bitte möglichst kurz und schnell. Wenn dir eine Frage nicht passt, sagst du einfach «weiter».

Okay, ich bin parat.

Niederlenz oder Dietikon?

Mmhh … ich kann mich nicht entscheiden und darum: beide.

Osterhase oder Butterlamm?

Osterhase.

Hazel Brugger oder Patti Basler?

Patti Basler. Ich kenne sie persönlich und finde, sie ist auch neben der Bühne lustig.

Es ist kurz vor 17 Uhr: Hast du heute schon Rassismus erlebt?

Zum Glück nicht.

Wann hast du das letzte Mal persönlich Rassismus erlebt?

Nach meinem gestrigen Bühnenauftritt kam ein Herr auf mich zu und meinte, ich hätte es mega gut gemacht. Das Publikum sei nicht einfach gewesen, weil es viele ältere Menschen im Saal gehabt hätte. Dann sagte der Mann: «Und dann kommt so ein Vorstadt-N… und soll die Leute zum Lachen bringen.» Ich unterbrach ihn und sagte: «Wie bitte? Was haben Sie gerade gesagt?» Der Mann realisierte sofort, dass er einen Fehler gemacht hatte.

Zum Autor: Bruno Bötschi
Bild: blue News

blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.

Hat er sich bei dir entschuldigt?

Ja, das hat er. Der Mann meinte dann noch, ihm sei das Wort in der Hitze des Gefechts herausgerutscht.

2014 sagtest du in der «Aargauer Zeitung»: «Wenn ich früher im Viererabteil eines vollen Zuges unterwegs war, zogen es die meisten Leute vor, stehen zu bleiben, als sich zu mir zu setzen.» Wie ist es heute?

Meine Aussage wurde damals etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Aber weisst du was, ich sass kürzlich wieder im gleichen Regionalzug und fuhr zu einer Klassenzusammenkunft ins aargauische Schöftland. Diesmal blieb ich in meinem Viererabteil nicht der einzige Passagier. Ich finde, die Schweiz hat in den letzten Jahren in Sachen Rassismus einen Sprung nach vorn gemacht.

Im selben Interview sagtest du: «Bei den Jungen sind die Schwarzen aber gut akzeptiert. Wohl nicht zuletzt wegen des breiten Interesses für die Hip-Hop-Kultur.»

Dem ist definitiv so. Die Hip-Hop-Musik trug viel dazu bei, die schwarze Kultur bekannter zu machen. Der Hip-Hop hat sich in den letzten vier Jahrzehnten zur grössten Jugendkultur weltweit entwickelt und ist seit mehreren Jahren das meistgehörte Musikgenre überhaupt.

Wann ist dir das letzte Mal das Lachen im Hals stecken geblieben?

Das war am 24. Februar 2022, als Russland die Ukraine überfallen hat.

Worüber machst du keine Witze?

Mir ist wichtig, dass meine Witze niemanden beleidigen. Und ich will keinen Hass schüren. Ich würde auch nie Spässe über sexuellen Missbrauch machen.

Was treibt dich an, Komiker zu sein?

Am Anfang war mein Antrieb vor allem die Lust, etwas Neues auszuprobieren und der Spass. Später merkte ich, dass ich als Komiker auch eine Botschaft vermitteln und die Welt so ein bisschen besser machen kann.

«Mir ist wichtig, dass meine Witze niemanden beleidigen»: Charles Nguela.
«Mir ist wichtig, dass meine Witze niemanden beleidigen»: Charles Nguela.
Bild: René Tanner

Warum ist Charles Nguela lustig?

Das hat viel damit zu tun, weil die Nguelas eine grosse und ziemlich verrückte Familie sind, die Comedy über alles liebt.

Warst du schon als Kind ein Spassmacher?

Ich bin der Jüngste und habe zwei Schwestern und zwei Brüder. Da ich Streit nicht gern hatte, musste ich schon früh lernen, wie ich das Eis brechen kann. So wurde ich von klein auf zum familieninternen Friedensstifter. Meine Mutter erklärte mir das später so: Solange ich als Jüngster am Tisch noch gelacht habe, wussten alle in der Familie, egal, wie laut diskutiert wurde, dass es okay ist.

Was passierte, wenn du nicht mehr gelacht hast?

Dann wurde es ruhig am Tisch und alle schauten mich an. Mit der Zeit lernte ich, in solchen Situationen etwas Komisches zu sagen – oft brach danach die ganze Familie in Gelächter aus.

Warst du in der Schule auch ein Spassmacher?

Als Teenager lernte ich, dass Mädchen es mögen, wenn ich Witze mache. In der Folge wurde mein Drang noch grösser, lustig und cool zu sein. Aber bitte jetzt nicht falsch verstehen: Ich war kein Pausenclown, der einen Witz nach dem anderen rausgehauen hat.

Sondern?

Ich war der ruhige Typ, der hin und wieder gezielt einen Witz platzierte.

Ist Humor eine so wichtige Charaktereigenschaft? Oder warum wird sie in Partnerschaftsanzeigen so oft erwähnt?

Wie wichtig Humor ist, fällt mir immer wieder bei der TV-Show «First Dates» auf, die ich regelmässig zusammen mit meiner Freundin anschaue. Dort sagen fast alle Kandidaten, dass sie ein sportliches und humorvolles Gegenüber suchen. Humor ist aber auch ein Anker im Leben und kann in so mancher Lebenssituation ein Retter sein.

Ist deine Freundin ein humorvoller Mensch?

Ja, ja, ja (lacht schallend).

Wer ist dein Vorbild?

Der US-amerikanische Comedian Dave Chappelle machte 2005 durch seinen Ausstieg aus einem 50-Millionen-Dollar-Vertrag mit «Comedy Central» weltweit Schlagzeilen. Er brach damals die Dreharbeiten zur dritten Staffel vorzeitig ab. Das fand ich mega stark. Chappelle erklärte, er wolle mit seinen Witzen die Welt besser machen. Während den Dreharbeiten habe er jedoch feststellen müssen, dass er oft das Gegenteil damit erreiche. Die Vorurteile durch seine Witze also noch grösser würden.

Was hältst du von Michael Mittermeier?

Ein cooler Typ. Ich durfte ihn am «Swiss Comedy Award» im vergangenen Jahr persönlich kennenlernen.

Wusstest du, dass der deutsche Komiker dich auch cool findet?

Ist das wahr? Hat er das wirklich gesagt?

Als ich Michael Mittermeier kürzlich im Vorfeld der neusten Staffel «LOL – Last One Laughing» interviewen konnte, die ab 6. April auf Amazon Prime zu sehen ist, sagte er: «Der Charles Nguela ist grossartig.»

So cool, dass sich Michael Mittermeier an mich erinnern kann. Ich fühle mich gerade mega geehrt. Es war super schön, dass ich beim letztjährigen «Swiss Comedy Award» neben einem meiner Idole auf der Bühne stehen durfte. Ich hätte nicht erwartet, dass er sich Monate später noch an mich erinnert.

Fändest du es cool, wenn es das «LOL»-Format auch in der Schweiz gäbe?

Definitiv. In der Schweiz fehlen uns die Plattformen, in denen ich als Komiker auch einmal etwas riskieren kann. Es hat damit zu tun, dass in der Schweiz das Publikum das Gefühl hat, was am Fernsehen gezeigt wird, müsse von Anfang an perfekt sein. Scheitern hat hierzulande keinen Platz. Aus eigener Erfahrung weiss ich jedoch, erst wenn du einmal gescheitert bist, kannst du gut werden.

Mit welchen neun Komiker*innen aus der Schweiz würdest du gerne «LOL» produzieren? Dich also sechs Stunden lang in einem Fernsehstudio einschliessen lassen, um dann möglichst nicht zu lachen.

Ganz sicher dabei sein müssten Joël von Mutzenbecher und Sven Ivanic. Und dann natürlich auch Leila Ladari, Miriam Schöb, Patti Basler, Helga Schneider, Rob Spence und Stéphanie Berger. Stéphanie hat zwar aufgehört mit Comedy, aber ich fände es trotzdem cool, wenn sie dabei wäre.

Jetzt fehlt noch ein Name.

Cenk Korkmaz. Ein Newcomer, aber ein Genie.

Und wer soll «LOL Schweiz» moderieren?

Stefan «Büssi» Büsser oder Claudio Zuccolini.

In knapp drei Stunden wirst du heute Abend im ausverkauften Stadthaus Effretikon auf der Bühne stehen. Wie fühlst du dich?

Mein Bauch fühlt sich gerade leer an, meine Beine werden langsam schwach, die Hände immer feuchter und ich habe Mühe, meine Gedanken zu sammeln. Es ist eine der komischen Eigenschaften meines Berufes, dass ich dafür in einen Raum gehen muss, in dem Leute drinsitzen, die ich zum Lachen bringen soll, obwohl ich sie nicht kenne. Und diese Menschen zahlen auch noch etwas dafür. Einen Umstand, den ich wohl nie als normal empfinden werde. Ich habe heute noch vor jedem Auftritt Angst. Ich musste lernen, meine Nervosität zu akzeptieren.

Es dauert noch 45 Minuten, bis du auf die Bühne gehen musst: Was macht Charles Nguela in dieser Zeit davor?

Eine Stunde vor einem Auftritt lege ich mich kurz hin, um ruhig zu werden und meine Gedanken sammeln zu können. Danach mache ich Stimmübungen und etwas Stretching. Am Anfang meiner Karriere war ich so kurz vor einem Auftritt jeweils nicht mehr fähig ein richtiges Gespräch zu führen. Heute geht es einigermassen.

Es geht noch fünf Minuten bis zu deinem Auftritt: Was machst du?

Dann gehe ich in der Garderobe die ersten Sätze meines Programmes immer und immer wieder durch. Ich habe das Problem, dass wenn ich zu nervös bin, ich nicht mehr richtig denken kann und den Text vergesse. Mit der ständigen Wiederholung der ersten Sätze versuche ich das zu verhindern. Haue ich auf der Bühne die ersten Sätze ohne Probleme raus, beruhige ich mich automatisch und kann wieder normal denken.

Dein himmlischster, wirklich glückseligster Moment auf einer Bühne?

2014 gewann ich zum ersten Mal einen «Swiss Comedy Award». Als ich auf der Bühne stand, kam plötzlich meine Mutter hochgelaufen und umarmte mich. Ich wusste, dass sie stolz auf mich ist. In diesem Moment aber realisierte ich es noch ein bisschen mehr.

«Ich habe heute noch vor jedem Auftritt Angst. Ich musste lernen, meine Nervosität zu akzeptieren»: Charles Nguela.
«Ich habe heute noch vor jedem Auftritt Angst. Ich musste lernen, meine Nervosität zu akzeptieren»: Charles Nguela.
Bild: René Tanner

Geboren wurdest du im Kongo, über Botswana bist du im Alter von fünf Jahren nach Südafrika gekommen, bevor du 2002 mit deiner Mutter und deinen Geschwistern in die Schweiz gekommen bis. Was bedeutet Heimat für dich?

Heimat ist der Ort, wo ich mich wohlfühle, wo ich mich mit den Menschen verbinden kann.

Wo befindet sich der Ort?

Dort, wo meine Liebsten sind. Der Ort an sich ist gar nicht so wichtig.

Im SRF-Videoporträt «Als Migrant aufwachsen – Charles Nguela über Vorurteile und Rassismus in der Schweiz» sagst du: «Als Migrant wirst du automatisch runtergedrückt und du fühlst dich immer weniger wert als die anderen.»

Ich verstand von Anfang an, dass die Behörden hierzulande sich zuerst um die Schweizer Bürger kümmern. Das macht mega Sinn. Gleichzeitig finde ich es komisch, dass dir, obwohl du dir alle Mühe gibst, dich zu integrieren, ständig angezeigt wird, dass du nicht dazugehörst. Dabei wusste ich schon von klein auf, dass alle Menschen gleich viel wert sind. Am stärksten erfuhr ich dieses Gefühl, als ich als Fünfjähriger erlebte, wie in Südafrika Nelson Mandela zum Präsidenten gewählt wurde. Diese Erfahrung werde ich nie vergessen.

Hattest du hin und wieder Lust zuzuschlagen, wenn du in der Vergangenheit schlecht behandelt worden bist?

In solchen Momenten hielt ich mich an das Sprichwort, das mein Onkel oft zitierte: «Ein richtiger Soldat weiss, wann er weglaufen muss.» Übersetzt heisst dies, Kämpfen ist nicht immer die beste Lösung, auch wenn es sich innerlich vielleicht nicht so anfühlt. Ich gebe aber zu, manchmal dachte ich daran, mein Gegenüber würde Fairness vielleicht schneller lernen, wenn ich ihm Schmerzen zufügen würde.

Warum fällt es so vielen Schweizer*innen schwer, sich einzugestehen, dass es auch in ihrem Land Rassismus gibt?

Die Schweiz schaffte es jahrzehntelang, schwierige Themen zu umschiffen. Sprich, die Gesellschaft wurde damit möglichst nicht konfrontiert.

Hast du ein konkretes Beispiel?

Als ich in die Schule ging, lernten wir, dass die Schweiz mit dem Sklavenhandel zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert nichts zu tun hatte. In der Folge fragte ich den Lehrer, warum er uns nicht erkläre, wie es damals wirklich abgelaufen sei. Wahr ist, die Schweiz war keine klassische Kolonialmacht. Dennoch haben Unternehmen und Familien hierzulande vom Kolonialismus und Sklavenhandel profitiert. Schweizer waren Sklavenhalter, Söldner in Kolonien oder Investoren in den Sklavenhandel.

Viele Menschen finden die Diskussion um politische Korrektheit und um Begrifflichkeiten einfach nur anstrengend und wollen sich damit nicht auseinanderzusetzen.

Diesen Menschen sage ich: Wenn es dir schon zu viel ist, über dieses Thema zu sprechen, wie muss sich erst ein Mensch fühlen, der davon direkt betroffen ist. Ich finde es zudem wichtig, dass die Medien bei dieser Aufklärungsarbeit eine zentrale Rolle spielen. Sie sollen aber weniger erziehen und mehr informieren. Ein Beispiel dafür ist die Diskussion über das Wort «M.....kopf», die wir 2020 in der Schweiz führten. Statt einfach zu sagen, der Begriff sei rassistisch und man solle ihn deshalb verbieten, wäre es besser gewesen, man hätte den Menschen zuerst erklärt, welche Geschichte hinter diesem Wort steht. Ich bin sicher, dann hätten viele besser verstanden, wieso es rassistisch ist und warum es künftig nicht mehr verwendet werden sollte.

Ist es der richtige Weg, Diskriminierung zu bekämpfen, indem man auf der Bühne darüber Witze macht?

Humor ermöglicht es mir als Komiker, auch über heiklere Themen zu reden. Hält eine Politikerin oder ein Politiker eine Rede und macht auf ein Problem aufmerksam, fühlen sich die Menschen oft schnell angegriffen. Mache ich auf der Bühne das Gleiche und verpacke alles noch in eine amüsante Geschichte, hat das Publikum eher das Gefühl, wir seien alle gleichgestellt.

«Schweizer waren Sklavenhalter, Söldner in Kolonien oder Investoren in den Sklavenhandel»: Charles Nguela.
«Schweizer waren Sklavenhalter, Söldner in Kolonien oder Investoren in den Sklavenhandel»: Charles Nguela.
Bild: René Tanner

Dein drittes Bühnenprogramm, mit welchem du aktuell auf Tour bist, heisst «R.E.S.P.E.C.T.». Warum ist Respekt wichtiger denn je?

Das Leben ist viel unterhaltsamer, wenn jeder von uns ab und zu einen Gang zurückschaltet und respektvoll mit dem Gegenüber umgeht. Aber ich weiss, es gibt immer wieder Leute, die meinen, ich möchte mit meinem Programm «R.E.S.P.E.C.T.» belehrend wirken. Meistens realisieren die im Verlaufe des Abends, dass es bei mir viel zu lachen gibt. Und genau darum geht es: Respekt muss nicht streng oder anstrengend sein, er kann auch lustig sein.

Wer ist die beste Witzlieferantin in der Schweizer Politik?

SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher. Ich sage nur: «You dreamer, du!» Die SP-Nationalrätin Jacqueline Badran kann ihr aber fast das Wasser reichen.

Wer ist der beste Witzlieferant in der Schweizer Politik?

Christoph Mörgeli – allein schon wegen seines Namens. Ebenfalls weit vorne ist SVP-Nationalrat Erich Hess. Er haut so viele schräge Sachen heraus, dass ich immer wieder denke: Was in Gottes Namen ist mit dir los?

Welche Partei wählst du?

Ich bin erst seit fünf Wochen Schweizer – konnte also bisher noch nicht wählen und abstimmen. Aktuell warte ich zudem immer noch auf meinen Schweizer Pass.

Das Schweizer Bankgeheimnis ist gefallen, die Swissair schon lange weg und jetzt hat es auch noch die Credit Suisse erwischt: Wird sich die Schweiz neu erfinden müssen?

Ich glaube, die Schweiz ist nach wie vor ein Dienstleistungsland. Damit dies aber auch in Zukunft so bleiben wird, müssen wir weiterhin darauf pochen, gute Qualität zu liefern. Läuft doch einmal etwas schief, sollten wir das als Chance sehen, dass etwas Besseres nachkommen wird. Die Credit Suisse hatte das Vertrauen der Menschen ja schon vor Langem verspielt. Und deshalb: Etwas Neues aufbauen ist nie schlecht.

Was sonst soll die Schweiz sein, wenn nicht das Land der Banken?

Das Land der Forschung, der Uhren und der Schokolade.

Manche Menschen behaupten, Satire müsse verletzen.

Das muss sie definitiv nicht. Die Satire muss vielmehr die Menschen zusammenbringen. Ja klar, hin und wieder werden heikle Themen angesprochen und das kann einen schon peinlich oder unangenehm berühren, aber verletzend sollte sie nicht sein.

Der 2006 verstorbene deutsche Satiriker Robert Gernhardt schrieb, dass die populäre Kunst auf der Jagd nach Körperflüssigkeiten sei: Beim Liebesroman flössen Tränen, beim Krimi Schweiss, beim Porno Sperma und beim Humor der unfreiwillig abgegebene Urin. Wie erfolgreich warst du bisher dabei?

Ich habe mindestens schon zweimal aus dem Publikum hören müssen: «Jesses, jetzt han i id Hose gseicht.» Und einmal sah ich, wie eine Frau während einer Show aufgestanden ist, ihre Beine dabei komisch zusammengedrückt hielt und so Richtung WC marschiert ist.

Gibt es einen spezifischen Schweizer Humor?

Was ich immer wieder sehe: Schweizer Komiker verkleiden sich komisch, nehmen eine Gitarre in die Hand und versuchen ein Lied zu singen.

Wirst du so eine Nummer als Neo-Schweizer ebenfalls in dein Programm einbauen?

Auf keinen Fall.

Hat sich dein Humor auf der Bühne verändert, seit du Vater geworden bist?

Ich mache heute mehr Dad-Jokes. Also so komische Vater-Witze, bei denen ausser ein paar Vätern im Publikum und ich niemand darüber lacht.

Deine heimliche, bünzlige Seite?

Ich bin wahnsinnig gut im Abfall entsorgen.

Ich nehme an, dies freut deine Freundin ungemein.

Ja, darüber ist sie mega froh. Sie hat mir auch schon gesagt, dass ihre Freundinnen deshalb eifersüchtig sind auf sie.

Hast du noch andere Qualitäten als Hausmann? Wie steht es zum Beispiel mit deinen Putz-Fähigkeiten?

Darin bin ich auch nicht schlecht. Was auch damit zu tun hat, dass ich nicht richtig arbeiten kann, wenn es in meinem Büro unordentlich ist. Unordnung hemmt meinen Verstand.

Wie viel Liter Milch trinkst du im Tag?

Ich trinke nie Milch.

Aber du hast doch für Swissmilk Werbung gemacht?

Ich bin ein grosser Fan von Milchprodukten, aber Milch trinke ich keine. Auch Kaffee trinke ich kaum. Aber dafür esse ich viel Käse und Schokolade, zudem liebe ich Butter über alles.

Für welches Produkt würdest du niemals Werbung machen?

Erdöl.

«Unordnung hemmt meinen Verstand»: Charles Nguela.
«Unordnung hemmt meinen Verstand»: Charles Nguela.
Bild: René Tanner

Wirklich wahr, dass du immer zwei Handys dabei hast?

Das stimmt nicht. Wer hat das gesagt?

Das stand so in der Zeitung.

Ahh, jetzt weiss ich, was du meinst: In den Ferien habe ich jeweils zwei Handys dabei. Da habe ich aber auch immer zwei Kreditkarten und eine Kopie meines Passes dabei.

Wieso das?

Es ist mir vor Jahren einmal passiert, dass ich in New York ohne Handy, ohne Geld, ohne Kreditkarten und ohne Pass dagestanden bin. Ich sage nur so viel: Es war nicht lustig.

Stellt du dir hin und wieder die Sinnfrage?

Immer wieder.

Hast du eine Antwort gefunden?

Nein. Aber ich bin Fan von Albert Einstein. Er sagte einmal, Energie verschwinde nicht, sondern sie verwandele sich nur. Ein schöner Ansatz, finde ich. Gleichzeitig bin ich allerdings ein grosser Astronomie-Fan. Hast du dich erst einmal im Weltall vertieft, fragst du dich irgendwann: Woher kommen wir? Wer sind wir? Was passiert, wenn wir sterben? Diese Frage stelle ich mir auch als Komiker immer wieder.

Wann zum Beispiel?

Während ich ein neues Bühnenprogramm schreibe, muss ich mir oft monatelang Kritik anhören. Bis ich mich irgendwann frage: Wieso mache ich das überhaupt?

Hast du ein Testament?

Ich bin gerade dabei, eines zu verfassen. Vor zwei Monaten übermannte mich im Auto der Sekundenschlaf. Nach diesem Erlebnis, das zum Glück glimpflich verlaufen ist, wurde mir bewusst, dass ich gewisse Dinge, die mit meinem Ableben zu tun haben, bereits jetzt angehen sollte.

Zum Schluss noch der Talenttest: Schätze du jetzt bitte, lieber Charles Nguela, dein Talent von null Punkten, kein Talent, bis zehn Punkte, Supertalent, ein: Koch?

Ich bin kein schlechter Koch. Es gibt sogar Gerichte, die ich super gut hinkriege.

Welche?

Geschnetzeltes kann ich gut, diverse Salat-Variationen ebenfalls und aus Gemüse kann ich auch viel zaubern. Ich gebe mir deshalb sechs Punkte.

Glückspilz?

Acht Punkte. Ich habe das Glück, dass ich als Komiker mein Geld verdienen darf.

Feminist?

Da gebe ich mir zehn Punkte, weil ich von klein auf gesehen habe, wie meine Mutter für unsere Familie gekämpft hat. Zudem habe ich zwei Schwestern, die mir ein guter Kompass sind.

Sänger?

Unter der Dusche gebe ich mir die Note zehn, ausserhalb vom Badezimmer zwei Punkte. Oder sagen wir so: Unter der Dusche habe ich das Gefühl, ich sei Adele (lacht schallend).

Die aktuellen Tourdaten von Komiker Charles Nguela findest du unter diesem Link. Noch mehr «Bötschi fragt»-Gespräche gibt es hier.


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