Meyers LiebesklinikMeine Freundin und ihr Partner sind völlig verschieden, das nervt
Von Thomaas Meyer
19.4.2024
Die Freundin einer blue News Leserin betont gern die Unterschiede in ihrer Beziehung und ist sich sicher: Eine Partnerschaft wird dadurch erst spannend. Die Leserin selbst sieht das etwas anders.
Von Thomaas Meyer
19.04.2024, 23:00
19.04.2024, 23:02
Stefan Ryser
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
In der neuen Ratgeber-Kolumne «Meyers Liebesklinik» berät Schriftsteller und Coach Thomas Meyer die Leserinnen und Leser von blue News bei Problemen in der Liebe und Partnerschaft.
Thema der dritten Kolumne: «Gegensätze ziehen sich an» oder «Gleich und gleich gesellt sich gern»?
In meinem Freundeskreis haben wir kürzlich eine interessante Frage diskutiert: Ist es für eine langjährig erfolgreich schöne Beziehung besser, wenn zwei Menschen sich möglichst ähnlich sind – oder wenn zwei komplett anders sind?
Meine Freundin Simone behauptet, es sei besser, wenn zwei Menschen völlig unterschiedlich sind, weil das spannender für die Beziehung sei. Simone liebt Yoga, Pilates und die Berge. Ihr Freund ist Katalane, spricht nach 2 Jahren in der Schweiz fast kein Deutsch, ist am liebsten mit seinen katalanischen Freunden zusammen und hasst die Berge und Wanderungen.
Ich glaube, Simone und Jordi sind zu unterschiedlich. Für Simone wäre es besser, einen Freund zu finden, der ihre Hobbys teilt.
Was meinst du? Ich danke dir
Livia* (30), Baden
Liebe Livia
Natürlich ist es «spannend», wenn zwei Menschen gegensätzlich sind.
Für TV-Serien wie «Modern Family» ist es sogar essentiell, möglichst unterschiedliche Charaktere aufeinanderprallen zu lassen, denn es wäre schlicht zu langweilig, Leuten stundenlang dabei zuzusehen, wie sie gut miteinander auskommen.
Für die eigene Partnerschaft sollte aber genau dies das Ziel sein: Harmonie. Das Leben ist fordernd genug – die Beziehung sollte es einem erleichtern, nicht noch mehr erschweren.
Überhaupt ist die Redensart komplett unsinnig. Es sind nicht die Gegensätze, die einander anziehen, sondern die Menschen. Wir überlegen in einer Bar ja nicht: «Wer hier ist ganz anders als ich?«, sondern: «Wer gefällt mir?» Darüber entscheiden vor allem die Hormone, und zwar in Sekundenschnelle.
Eine weitere wichtige Rolle spielt unsere Prägung. Was wir in der Kindheit erlebt haben, egal wie absurd es war, setzen wir erstens mit Liebe und zweitens mit Normalität gleich.
Womöglich tragen die beiden Stellvertreterkonflikte aus
Das ist der Grund, warum wir mit verschiedenen Menschen immer wieder ähnliche Erfahrungen machen – und es könnte der Grund sein, warum Deine Freundin sich auf diesen Mann eingelassen hat: Vielleicht hat sie von ihren Eltern gelernt, dass unüberwindliche Differenzen zwingend zu einer Beziehung gehören, und lebt das nun nach. Und redet es sich schön, indem sie das Attribut «spannend» als Synonym zu «erfüllend» präsentiert. Sie sollte sich mal mit den verwandten Begriffen «Verspannung» und «entspannend» beschäftigen.
Zur Person: Thomas Meyer
Bild: Joan Minder
Schriftsteller, Drehbuchautor – und Coach in Beziehungs- und Liebesfragen: Thomas Meyer, Jahrgang 1974, berät neu die Leser*innen von blue News bei Liebeskummer und Beziehungsproblemen.
Eine gute Beziehung haben Menschen, die einander in den zentralen Aspekten ähnlich sind, was den Ausspruch «Gleich und gleich gesellt sich gern» bestätigt. Dazu gehören die Wertvorstellungen, die Lebensziele, die Lebensumstände, der Humor, die Sexualität und die Intelligenz.
Sind die Unterschiede zu gross, gibt es ständig Meinungsverschiedenheiten und Machtkämpfe – was zwar «spannend» ist, aber Geborgenheit und Stabilität verhindert.
Nun kann man sich fragen, ob die Liebe zu den Bergen wirklich beziehungsentscheidend sei. Deine Freundin kann schliesslich auch mit anderen dorthin. Auch der sprachliche Unterschied dürfte eine eher nebensächliche Rolle spielen.
Womöglich tragen die beiden Stellvertreterkonflikte für ganz andere Themen aus. Wie eben den weit verbreiteten Glaubenssatz, dass eine Beziehung unmöglich konsequent schön sein kann.
Gemeinsame Interessen und Aktivitäten sind wichtig für eine Beziehung. Aber anstatt sich in der Diskussion «Pro und contra Berge» zu zermürben, sollten sich die beiden fragen, was es geben könnte, das beide erfreut. Und ob sie sich generell ähnlich genug seien für eine Beziehung.
«Eine schlechte Beziehung hat sich noch nie in eine gute verwandelt»: Thomas Meyer zu Gast bei Claudia Lässer
«Lässer» mit Thomas Meyer
Thomas Meyer ist Schriftsteller und Drehbuchautor. Der Zürcher unterstützt als Coach in Beziehungs- und Liebesfragen. Mit Claudia Lässer spricht er über seine persönlichen Trennungserfahrungen.