«Tatort» im Check Warum sind so viele Kommissare Singles?

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28.4.2024

Der Kölner «Tatort: Diesmal ist es anders» erzählte eine Liebesgeschichte mit Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) – inklusive körperlicher und seelischer Intensität, die man 60-plus-Charakteren im Film teils abspricht. 

Julian Weinberger

28.4.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Lange schien es so, als würde der Kölner «Tatort»-Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) sein Single-Dasein endlich hinter sich gelassen haben.
  • Doch sein Glück mit Journalistin Nicola Koch (Jenny Schily) wurde von einem Todesfall überschattet – und einem schlimmen Verdacht.
  • Als Single steht Ballauf im «Tatort»-Kosmos nicht alleine da. Der Grossteil der Ermittelnden ist ohne Partnerin oder Partner.

Der einsame Ermittler-Wolf oder längst auch die Ermittler-Wölfin gehören zum TV-Krimi dazu wie Pistole, Messer und der berühmte stumpfe Gegenstand, mit dem das Opfer erschlagen wird.

Da irritiert es beinahe, wenn ein alter, alleinstehender Recke wie Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) im «Tatort: Diesmal ist es anders» ohne Trigger-Warnung im Vorspann plötzlich als «Beziehungsmensch» vorgeführt wird.

Sein Glück mit Journalistin Nicola Koch (Jenny Schily) währte jedoch nicht lange. Trotzdem war der neue Köln-Fall nicht nur ein ordentlicher Krimi – mit vielen tollen reifen Frauenfiguren – sondern auch ein Liebesfilm.

Mit Themen wie Hingabe, Vertrauen und Enttäuschung. Doch wie viele «Tatort»-Kommissarinnen und Kommissare sind tatsächlich in festen Händen, wer ist dagegen Langzeit-Single – und warum ist das eigentlich so?

Worum ging es?

Max Ballauf ist glücklich liiert mit Journalistin Nicola Koch (Jenny Schily), Chefin des Stadtmagazins «Cologne Alive». Die meiste Zeit seiner achtsamen, aber auch körperlich leidenschaftlichen Beziehung verbringt das Paar in der Wohnung Nicolas.

Doch dann müssen Max und sein Landzeit-Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär) den Tod eines wohl absichtlich überfahrenen Mannes untersuchen. In der schicken Wohnung des Opfers finden sich grosse Mengen Bargeld.

Offenbar erpresste der arbeitslose Journalist bekannte Persönlichkeiten systematisch. Wehrte sich eine von ihnen auf drastische Art? Eine Spur führt zum ehemaligen Schlagerstar Mariella Rosanelli (Leslie Malton), die sich mittlerweile vor allem um ihr karitatives Jugendzentrum «Kids4Care» kümmert.

Worum ging es wirklich?

«Cologne Alive», das Magazin von Max' Flamme Nicola, berichtet regelmässig und positiv von Mariella Rosanellis Aktivitäten. Als Max bei seinen Nachforschungen auf Querverbindungen stösst, kommen in ihm Verdächtigungen hoch, die seiner Beziehung nicht guttun.

Sowohl er als auch Nicola spüren, dass ein dunkler Schatten über diese Liebe gefallen ist. Wie ein Vertrauensbruch Liebe langsam quälend töten kann, davon erzählt das kluge Drehbuch von Wolfgang Stauch.

Der schrieb fürs Kölner Revier zuletzt unter anderem den tollen Mord-unter-Schauspielern-Krimi «Vier Jahre» (2022). Stauch ist ein Krimiautor, der sich nicht mit dem Üblichen zufriedengibt. Bei ihm muss auch zwischenmenschlich etwas passieren, was seine Krimis zu etwas Besonderem macht.

Hier ist es Max Ballauf, der mit 60-plus das Leben plötzlich ganz anders sieht: als freudvolle Entdeckungsreise in die Welt eines anderen Menschen. Manche nennen dieses Gefühl auch: verliebt sein.

Wer waren die starken Frauen in diesem Krimi?

Ungewöhnlich und gut so, dass im «Tatort» gleich drei Frauen grössere, psychologisch durchaus differenzierte Rollen spielen. Neben Jenny Schilly (56), Tochter des ehemaligen deutschen Spitzenpolitikers Otto Schily, die gewohnt sensibel Max Ballaufs Liebe verkörpert, sieht man Leslie Malton (65) als charismatisch-doppelbödigen Ex-Chanson-Star mit dem schönen Rollen-Namen Mariella Rosanelli.

Malton, die jung am Wiener Burgtheater begann, feierte ihren TV-Durchbruch 1992 mit ihrer Rolle als Gudrun Lange in Dieter Wedels berühmten Vierteiler «Der grosse Bellheim».

Eine schöne Idee der «Tatort»-Macher war zudem, Max Ballaufs ab und zu im Kölner «Tatort» wiederkehrende Ex-Liebe Lydia Rosenberg einzubauen. Gespielt wird sie von Juliane Köhler (58, «Aimée und Jaguar», «Nirgendwo in Afrika»).

In diesem Film kommt ihr die Aufgabe zu, Max ein paar Lebensweisheiten mit auf den Weg zu geben. Ein kurzer, starker Auftritt in einem Krimidrama über Lebensträume, die spät in Erfüllung gehen könnten, und das alterslose Faszinosum der Liebe.

Welche Ermittlerinnen und Ermittler sind Singles?

Von Norden nach Süden betrachtet, ergibt sich folgendes Bild (der Kürze halber sind hier nur die Darstellenden, nicht aber ihre Rollen genannt):

Axel Milberg und Almila Bagriacik, Kiel, beide Singles.

Wotan Wilke Möhring, Hamburg, Single.

Luise Wolfram und Jasna Fritzi Bauer, Bremen, beide Singles.

Mark Waschke und Corinna Harfouch, Berlin, er Single, sie verheiratet.

Axel Prahl und Jan Josef Liefers aus Münstersind ebenso alleinstehend wie Jörg Hartmann und Stefanie Reinsberger, Dortmund, und Maria Furtwängler, Hannover.

Bei Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär in Köln ist es so, dass Bärs Figur Freddy Schenk seit Jahrzehnten verheiratet ist, seine Frau aber im Film unsichtbar bleibt.

Ebenfalls ohne Lebenspartner*innen sind: Cornelia Gröschel und Karin Hanczewski (Dresden), Ulrich Tukur (Wiesbaden), Wolfram Koch und Margarita Broich (Frankfurt), Ulrike Folkerts und Lisa Bitter (Ludwigshafen), Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel (Franken), Vladimir Burlakov und Daniel Strässer (Saarland) – auch wenn sich hier hartnäckig das Gerücht hält, die beiden könnten bald Deutschlands erstes schwules Ermittlerpaar werden.

Liebestechnisch alleine auf weiter Flur stehen auch Richy Müller und Felix Klare (Stuttgart), Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl (München), Hans-Jochen Wagner und Eva Löbau (Schwarzwald), Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser (Wien) sowie Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler (Zürich). Macht zwei Liierte unter 35 aufgeführten «Tatort»-Ermittlern, was eine «Bindungsquote» von 5,7 Prozent bedeutet.

Warum ist das so?

Statistisch betrachtet ist nur knapp jede*r vierte Schweizer*in zwischen 18 und 65 Jahren Single, also rund 25 Prozent – gegenüber 94 Prozent der «Tatort»-Ermittler*innen.

Der Grund hierfür dürfte neben der Legende vom «einsamen Ermittler» respektive der «einsamen Ermittlerin» jedoch darin liegen, dass Partner der Kommissare natürlich auch «Screentime», also sichtbare Erzählzeit im Film, benötigen würden.

Das kostet Minuten, die man im anderthalbstündigen Krimiformat eher nicht hat. Würde ein behaupteter, aber nicht in der Handlung vorkommender Ermittler-Partner im Film fehlen, würden Fans Fragen stellen wie:

Wo war eigentlich die Frau oder der Mann von XY? Dies vermeidet man durch den dramaturgischen Kunstgriff des Alleinlebens eines Film-Charakters.

Wie geht es beim Kölner «Tatort» weiter?

Spannend für alle Kölner*innen: Gerade wird ein neuer Fall mit dem Arbeitstitel «Tatort: Colenius» gedreht, der im schon lange für die Öffentlichkeit stillgelegten Kölner Fernsehturm spielt. Dort befand sich tatsächlich bis 1994 ein Drehrestaurant – und zeitweise auch eine Diskothek.

Das Drehbuch zum 93. Kölner «Tatort» stammt vom Kölner Autoren-Duo Eva Zahn und Volker A. Zahn, Regie führt Charlotte Rolfes. Thomas Loibl, Karoline Eichhorn und Andreas Pietschmann spielen Gastrollen. Es geht um Techno, Ecstasy und Party: In den 1990ern waren Christian, Meike und René Teil der Szene und feierten über den Dächern von Köln im legendären «Colonius».

Zuvor kommt aber noch ein bereits abgedrehter Fall: In ihrem 91. Fall «Tatort: Siebte Etage» werden die Kölner Kommissare zu einer Leiche vor einem Eros-Center gerufen. Ein junger Mann ist im siebten Stock aus dem Fenster gestürzt.

Die Ermittler lernen sehr besondere Zeugen und Bewohner eines speziellen Hauses kennen. Auch dieser Film stammt aus der Feder von Eva Zahn und Volker A. Zahn, Regie führt Hüseyin Tabak. Er dürfte noch 2024, aber erst nach der Sommerpause, zu sehen sein.



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