Russland am Scheideweg Putin droht bei einer Wiederwahl der Kontrollverlust

dpa/twei

11.12.2023 - 23:55

Putin gibt erneute Kandidatur für das Präsidentenamt bekannt

Putin gibt erneute Kandidatur für das Präsidentenamt bekannt

Russlands Präsident Wladimir Putin kandidiert für eine weitere sechsjährige Amtszeit. Er habe dies am Freitag im Kreml nach der Auszeichnung von Soldaten bekannt gegeben, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Tass.

11.12.2023

Kaum jemand zweifelt daran, dass Wladimir Putin im kommenden Jahr als Präsident wiedergewählt wird. Doch Russlands Probleme dürften auch in seinen kommenden sechs Amtsjahren nicht weniger werden.

11.12.2023 - 23:55

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Im März 2024 wird in Russland gewählt. Die Wiederwahl von Wladimir Putin scheint Formsache.
  • Doch der russische Präsident steht vor drängenden Problemen.
  • Neben dem langwierigen Krieg gegen die Ukraine bröckelt die russische Wirtschaft, und der Kreml übt nicht mehr die absolute Kontrolle aus.

Für Wladimir Putin scheint die Wiederwahl gesetzt. Der russische Präsident hat die politische Landschaft seines Landes so fest im Griff, dass ihm eine weitere sechsjährige Amtszeit eigentlich nicht zu nehmen ist. Doch die Herausforderungen, die ihn verfolgen, sind enorm.

Der Krieg gegen die Ukraine

Putin hatte sich 2022 einen schnellen Feldzug in der Ukraine erhofft und eine durchschlagende Offensive erwartet, mit der er das Nachbarland unter Kontrolle des Kremls bringen würde. Der völkerrechtswidrige Angriff auf die Ukraine hat sich aber zu einem Zermürbungskrieg entwickelt, mit grossen Verlusten und einem hohen Einsatz an Ressourcen auf russischer Seite.

Zwar konnten die russischen Angreifer die Gegenoffensive der Ukraine in diesem Jahr weitgehend ausbremsen, doch für grössere Vorstösse der Russen fehlen Soldaten und Ausrüstung. Das Patt lässt einen weiteren Stellungskrieg auch im Winter erwarten.

Putin setzt darauf, dass der Fortgang des Krieges die ukrainischen Ressourcen erschöpft und die Unterstützung des Westens für Kiew erlahmen lässt. Aber ein langwieriger Konflikt verstärkt auch die wirtschaftlichen Probleme Russlands, vertieft die soziale Kluft und schürt Spannungen innerhalb des herrschenden Zirkels.

«Je länger die Ungewissheit über den Ausgang des Krieges anhält, desto lauter werden die Stimmen der Revisionisten», erklärt Tatiana Stanovaya von der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden in einer Analyse mit Blick auf Hardliner in der russischen Elite. «Instabilität, militärische Rückschläge, Eskalation und die sich verschlechternde Position Russlands im Krieg stärken die Revisionisten.»

Das Verhältnis zum Westen

Trotz der russischen Hoffnung, dass der Rückhalt des Westens für die Ukraine nachlässt, haben die USA und ihre Verbündeten Kiew anhaltende Unterstützung zugesagt. Auf der anderen Seite haben die Sanktionen der USA und der EU gegen Moskau der russischen Wirtschaft keinen K.-o.-Schlag versetzt und die Offensive des Kremls nicht ausgebremst.

Allerdings haben die Beschränkungen russische Exporteinnahmen geschmälert und den Zugang zu westlicher Technologie stark eingeschränkt. Zudem wurden rund 300 Milliarden Euro an Reserven der russischen Zentralbank im Westen blockiert.

Wladimir Putin setzt alles daran, sein Amt als russischer Ministerpräsident zu behalten.
Wladimir Putin setzt alles daran, sein Amt als russischer Ministerpräsident zu behalten.
Bild Keystone/AP/Sputnik Kremlin/Valery Sharifulin

Putin hat versucht, mit einer Stärkung der Beziehungen zu Peking gegenzusteuern. China hat sich zu einem wichtigen Markt für russisches Öl und Gas und zu einer Quelle für High-Tech-Importe entwickelt.

Nach Einschätzung mancher Beobachter könnte die wachsende Abhängigkeit von China jedoch Russlands Rolle als Juniorpartner zementieren und Putins Handlungsspielraum einschränken. Trotz Moskaus Bemühungen um ein Abfedern der westlichen Sanktionen bleiben diese ein lähmender Klotz für die russische Wirtschaft.

Andere wirtschaftliche Herausforderungen

Die russische Wirtschaftsleistung ist im vergangenen Jahr unter den westlichen Sanktionen um 2,1 Prozent gesunken. In diesem Jahr wird hingegen offiziell ein Wachstum von 2,8 Prozent erwartet, was Putin als Zeichen eines Aufschwungs wertet. Der Umschwung ist jedoch besonders auf massiv gestiegene staatliche Ausgaben zurückzuführen, die vor allem von der Kriegsmaschinerie verursacht wurden.

Zugleich belasten die Mobilisierung von 300'000 Reservisten und die Rekrutierung von fast 400'000 Soldaten die Wirtschaft ebenso wie der Verlust von Arbeitskräften aufgrund der Flucht Hunderttausender Menschen ins Ausland. Das dämmt die Aussichten auf ein langfristiges Wachstum. Hinzu kommen der Wertverlust des Rubels, der in diesem Jahr um ein Drittel eingebrochen ist, und die steigende Inflation.

Turbulenzen und Systemversagen

Obwohl Putin die meisten politischen Gegner auszuschalten vermochte und eine strikte Kontrolle von oben nach unten aufgebaut hat, haben sich doch zuletzt Schwachstellen gezeigt. So war der kurzzeitige Aufstand von Söldnerchef Jewgeni Progoschin im Juni ein Schlag für Putins Autorität.

Auch die Erstürmung des Rollfelds eines Flughafens in Dagestan, bei der ein Mob eine aus Israel kommende Maschine angriff, erschütterte das sorgfältig gepflegte Image der totalen Kreml-Kontrolle. «Wir haben eine eklatante Dysfunktion der Sicherheitsbehörden und der gesamten föderalen Regierung beobachten können», kommentierte die Politikwissenschaftlerin Ekaterina Schulmann. Wie im Fall von Prigoschin habe eine plötzliche Bedrohung mit ihren schnellen Entwicklungen das System gelähmt.

Trotz allem gilt derweil weiter, dass Putin darauf setzen kann, nach nahezu einem Vierteljahrhundert an der Macht als Präsident bestätigt zu werden – nicht zuletzt dank fehlender politischer Konkurrenz und einem engmaschig kontrollierten System. Laut Meinungsumfragen liegen seine Zustimmungswerte bei etwa 80 Prozent.

dpa/twei