Er holte bei Jauch die Million «Ich war Student, ich wollte die Kohle»

Von Franziska Pahle

10.4.2023

Bei «Wer wird Millionär» knackte er Günther Jauchs Millionenfrage. Nun bekommt Leon Windscheid seine eigene TV-Show. Mit blue News spricht er über Selbstmitgefühl, Geschlechtsidentität und Unterhosen.

Von Franziska Pahle

10.4.2023

Leon Windscheid, wie fühlen Sie sich heute?

Es ist viel los, aber ich versuche, gelassen zu bleiben. Der Frühling kommt, wenn man ihn am dringendsten braucht. Ich lechze nach Sonnenstrahlen und Rausgehen. Ich freue mich auf alles, was kommt.

Wie zum Beispiel Ihr ZDF-Wissenschaftsformat «Terra Xplore». Darin geht es unter anderem um die Frage «Wer bin ich?» Wissen Sie, wer Sie sind?

Ich würde allen, die sich diese Frage stellen, raten, beim Fragezeichen zu bleiben.

Tatsächlich?

Ja, denn die Forschung hat darauf keine aktuelle Antwort. Auch im hohen Alter kann man sich immer noch ändern. Klar, das kann Angst machen. Ich wäre gern angekommen oder hätte gern dieses und jenes erreicht. Wir Menschen wollen Klarheit. Das ist manchmal nicht einfach.

Wie kann jeder Einzelne am besten mit diesen Zweifeln umgehen?

Statt mit Angst sollte der Mensch mit Zuversicht auf diese Frage schauen. Gerade in dieser Welt. Es ist unsere grösste Chance zu akzeptieren: Ich werde mich immer verändern, oder sogar verändern müssen. Das ist eine gute Sache. Ein anderer Ansatz wäre sich zu fragen: «Wer bin ich jetzt gerade?» und «Wer will ich sein?»

Dr. Leon Windscheid
Presenter Leon Windscheid «Terra Xplor»
ZDF und Holger Pooten

Dr. Leon Windscheid gilt als Experte für Gefühle. Der Psychologe, Unternehmer und Autor gewann im Winter 2015 die Million in der RTL-Sendung «Wer wird Millionär». Seine Leidenschaft für die Psychologie teilt Windscheid auf unterhaltsame Art in seinen Büchern, Podcasts und Bühnenshows.

Gut, dann: Wer sind Sie jetzt gerade?

Gerade jetzt bin ich Wissenschaftskommunikator mit Herzblut und ganz viel Freude. Ich stürze mich in meine Arbeit. Vielleicht lässt das im Sommer wieder nach und ich möchte lieber gelassen in einem Schaukelstuhl sitzen.

Und wer wollen Sie sein?

Ich habe den Anspruch, dass die Menschen, die ich liebe, auf mich zählen können. Ich möchte jemand sein, der mit sich selbst freundschaftlich umgeht. Ich bin oft sehr streng mit mir und hole die Motivationspeitsche raus. Ich wäre gern umsichtiger und hätte mehr Selbstmitgefühl.

Ausserdem?

Wir machen auf unserem Planeten viel zu viel kaputt. Das ist ein Fixstern, der für mich noch weit entfernt ist. Klar, ich versuche Klamotten secondhand zu kaufen, oder viel Zug zu fahren und möglichst kein Fleisch zu essen. Aber ich war gerade drei Wochen in Vietnam, weil mich die Kultur so interessiert hat. Mit dieser Flugreise habe ich dem Planeten viel Schaden zugefügt. Aber ich setze mir lieber Ziele, die ich dann vielleicht nicht erreiche, statt direkt aufzugeben.

Ein Teil von Ihnen ist Ihr Auftritt im Jahr 2015 bei «Wer wird Millionär». Wegen Ihrer Trainingsmethode wurden Sie als «Unterhosen-Millionär» betitelt. Sie übten die Studio-Situation vorab, indem Sie sich auf einen Stuhl setzten und sich von Ihren Freunden mit Fragen löchern liessen. Eine ungewohnte Stresssituation, um sich gegen die Aufregung zu wappnen. Es hat geklappt. Nervt es Sie, immer noch darauf angesprochen zu werden?

Ich bin sehr froh, dass ich nicht beim Bachelor mitgemacht habe und mir das noch angehängt würde. Kurz gesagt: Ich war Student, ich wollte die Kohle. Wenn Sie sich den Rest meiner Familie anschauen, da ist keine Rampensau dabei. Ich bin der ganzen Geschichte und Herrn Jauch heute noch dankbar. Es hat mir die Angst genommen.

Wovor?

Ich hatte eine BWL-Karriere vor mir und war auf Status aus – alles in geregelten Bahnen. Dieser Gewinn hat mir die Angst genommen, etwas anders zu machen, weil ich so viel Geld im Rücken hatte. Ich habe erst später gemerkt, dass ich es nicht gebraucht hätte – aber die Blockade im Kopf war weg.

Im Rahmen Ihrer ZDF-Sendung werden Sie zudem das Thema Geschlechtsidentität beleuchten. Warum polarisiert das Thema Mann und Frau so – stimmt es nicht, dass wir alle gleich sind?

Die Menschen sind überhaupt nicht gleich. Diese Zeiten sind für viele sogar völlig überfordernd. Alles wird komplexer. Da habe ich als Mensch gern einfache Antworten und will klare Ansagen haben. Was heisst es, Mann oder Frau zu sein? Wenn dann jemand kommt und sagt, wir müssen vielfältiger denken, dann fühlen sich Menschen in ihrer Identität bedroht.

Warum?

Früher war das Bild klar: Der Mann steht im Garten, mit der Bierflasche in der Hand am Grill. Die Frau wäscht in der Küche den Salat. Das hat nie gepasst und das wird immer deutlicher. Das Schubladendenken wird hinterfragt. Ich kann verstehen, dass Menschen gern Labels und Schubladen haben. Aber ich habe kein Verständnis gegenüber Ablehnung.

Ihre Studienarbeit haben Sie schon vor Jahren über Frauen in Führungspositionen geschrieben.

Richtig. Daten sagen, dass Frauen gleich führen wie Männer. Und alle sagen: Vielfalt in Top-Positionen ist super. Aber wenn man die Leute mit hoher Anonymität dazu befragt, dann sackt das Interesse daran ab. Als «alter weisser Mann» – und da zähle ich mich dazu – hat man Angst, dass man etwas verliert. Es ist diese toxische Männlichkeit, unter der die Frauen leiden. Aber man sollte nicht verkennen, dass Männer auch einiges aushalten müssen. Die haben nie gelernt, über ihre Gefühle zu sprechen. 

Was können wir tun?

Auch wenn solche Themen, Technik und Krieg, auf uns einprasseln und viele sich überfordert fühlen – reflektieren. Zuhören. Neugierig sein, statt zu sagen: «Lass mir mein Mannsein.» Im Wort Neugier steckt Gier. Eine positive Gier. Bleibt neugierig und macht nicht zu. Dann wirst du in dieser Welt einen riesigen Vorteil haben, wenn das dein Mindset ist. Da entsteht die Chance, dass sich etwas ändert.

Dieses Jahr kommen Sie mit Ihrem Bühnenprogramm wieder in die Schweiz. Was ist Ihnen von Ihrem letzten Besuch im Jahr 2021 in Erinnerung geblieben?

Auch wenn es sprachliche Barrieren gab – ich komme in ein anderes Land, in eine andere Stadt und auch hier kommen Hunderte von Menschen zu meiner Show. Die haben Spass an Wissenschaft. Das macht mir Hoffnung für unsere Zukunft.

Woran erinnern Sie sich noch gern zurück?

In Zürich habe ich unglaublich gut gegessen. Einen Ziegenkäse-Salat und ein Kürbis-Risotto. Das war beides fantastisch.

«Terra Xplore» mit Psychologe Leon Windscheid und Biologin Jasmina Neudecker. Die erste Staffel unter dem Titel «Weisst Du, wer Du bist?» läuft ab Sonntag, 16. April 2023, 18:30 Uhr im ZDF. Die zweite Staffel «Was kann Dein Gedächtnis?» läuft ab Sonntag, 21. Mai 2023, 18:30 Uhr, ebenfalls im ZDF.


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