Thomas Kleiber «Im schlimmsten Fall kehre ich als Single in die Schweiz zurück»

Lukas Rüttimann

8.4.2019

Vor einem halben Jahr kehrte «Meteo»-Mann Thomas Kleiber der Schweiz den Rücken und wanderte nach Kanada aus. «Bluewin» hat den beliebten Wetterfrosch zum Interview getroffen.

Elf Jahre lang stand der Zürcher dem SRF als Meteorologe zur Seite – dann war Schluss. Es zog ihn nach Kanada zu seinem Ehemann David. Er spricht über das Leben im kalten Norden, seine Französisch-Kenntnisse und was wohl die Zukunft für ihn bereithält.

Thomas Kleiber, seit Ihrem Wegzug hat man nicht mehr viel von Ihnen gehört. Wie geht es Ihnen?

Gut. Allerdings kommt hier in Quebec gerade jener Moment auf mich zu, den ich erwartet habe: Man findet, der Winter könnte so langsam vorbei sein. (lacht) Ich fühle mich auch noch ein wenig entwurzelt. Aber das ist normal und gehört zum Auswandern dazu.

Hat der harte kanadische Winter Sie als Meteorologe etwa auf dem falschen Fuss erwischt?

Nein, überhaupt nicht. Es ist auch nicht mein erster Winter hier. Der vergangene war nicht mal besonders kalt, einfach unglaublich schneereich. Wunderschön! Der kanadische Winter ist schon eine andere Kategorie als bei uns. Es gibt kein Bergdorf in der Schweiz, in dem es so kalt ist wie in Quebec. Nicht umsonst hatte mein Partner jedes Mal, wenn man in der Schweiz im Winter draussen sitzen konnte, den Frühling ausgerufen. Jetzt verstehe ich ihn.

Sie leben mit Ihrem Partner David im selben Haus, als Untermieter bei seinen Eltern. Gibt das nicht Probleme?

Davids Familie ist sensationell, sehr locker, herzlich und unkompliziert. Wir könnten es nicht besser haben. Aber ich bin tatsächlich jemand, der gern Zeit für sich hat. Deshalb bin ich froh, dass tagsüber alle weg sind und ich in Ruhe Französisch lernen kann. Unser Plan ist es schon, bald zusammen eine eigene Wohnung zu beziehen. Sobald ich weiss, wo ich arbeiten werde, wird das konkreter werden. Aber dafür, dass ich quasi bei meinen Schwiegereltern wohne, läuft es sehr gut.

Hat sich jobmässig schon etwas Konkretes ergeben? Was suchen Sie?

Mein Französisch ist noch nicht so weit, dass ich einen einigermassen qualifizierten Job kriegen könnte. Aber ich mache vorwärts. Als klassischen Meteorologen sehe ich mich weniger. Ich bin einer, der das Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis liebt, dort liegt meine Stärke.



Vermissen Sie das Schweizer Fernsehen?

Einige Kollegen schon und auch den Kick von Live-Sendungen. Aber sonst eigentlich nicht. Ich konnte bei SRF meinen Bubentraum verwirklichen, dafür bin ich sehr dankbar. Leider hat sich der Traum dann aber ausgelebt. Mir fehlte die Entwicklungsmöglichkeit. Ich finde, «Meteo» hätte noch mehr Potenzial. Übrigens wurde das in den Medien oft falsch dargestellt: Ich bin nicht einfach so wegen der Liebe nach Kanada ausgewandert. Ich suchte beruflich eine neue Herausforderung und habe das zum Anlass genommen wegzugehen.

Sie fielen oft mit originellen Moderationen auf dem «Meteo»-Dach auf. Hat man Sie zu wenig gefördert im Leutschenbach?

Thomas Bucheli war ein toller Chef. Etwas, was ich an ihm sehr schätzte, war, dass er mich machen liess. So konnte ich meinen Stil entwickeln. Das Problem war, dass zeitlich wie finanziell einfach nicht mehr möglich war als das, was wir seit Jahren machten. Ich jedoch lebe Meteorologie mit Herzblut und wollte nicht stehen bleiben. Und so fehlte mir dann in der Tat die Förderung respektive die Herausforderung. Leider hat sich auch SRF-intern nichts ergeben.

Ist das nicht erstaunlich? Sie waren enorm populär...

... ich nehme das dem Schweizer Fernsehen nicht übel. Für uns Wissenschafter sind die Möglichkeiten am TV extrem begrenzt, und es war keine einfache Zeit, auch intern nicht. Letztlich war es mein Entscheid, dass es Zeit für etwas Neues ist.

Als Sie gingen, fiel für viele Zuschauer eine Welt zusammen. Haben Sie eine Erklärung für Ihre Popularität?

Ohne hier künstlich bescheiden klingen zu wollen: Von dieser Popularität habe ich nie viel mitbekommen. Ich mochte es nie, wenn man die einzelnen Moderatoren und Moderatorinnen in einer Art Beliebtheitswettrennen gegeneinander ausspielte. Ich sehe die Wissenschaft als etwas Lustvolles, und ich wollte diese Begeisterung mit den Zuschauern teilen. Zudem mochte ich meine «Meteo-Familie», also die Zuschauer. Ich glaube, das haben die Leute gespürt. Das wurde mir bewusst, als ich meinen Abschied ankündigte. Der enorme Zuspruch hat mich extrem berührt. Es gab zu meiner «Meteo»-Zeit auch regelrechte Wetter-Freaks, die mir immer tolle Mails geschrieben haben; das gab natürlich eine Verbundenheit. Solche Reaktionen vermisse ich manchmal.

Vermissen Sie anderes?

Natürlich meine Familie, Freunde, meinen Garten und die Berge. Und den ÖV. Ich fahre nicht so gern Auto, und der ÖV hier in den Vororten von Quebec ist umständlich und unregelmässig.

Auszuwandern ist immer auch ein Stresstest für die Beziehung. Wie läuft es zwischen Ihnen und David?

Den Umständen entsprechend sehr gut. Ich habe das Riesenglück, einen sehr lieben, verständnisvollen und bedachten Mann zu haben. Wir reden offen über alles, und bis jetzt fanden wir immer eine Lösung. Aber es war von Anfang an klar, dass das ein Experiment ist, bei dem ich im «worst case» als Single in die Schweiz zurückkehre. Wir nehmen es Schritt für Schritt, das nimmt den Druck für uns beide weg.

Kanadier gelten als sehr liberal. Spüren Sie das als schwules Paar in Quebec?

Zürich ist ja auch sehr liberal, im Alltag fühlen wir diesbezüglich keinen Unterschied. Was wir Schweizer respektive Zürcher von den Kanadiern lernen können, ist aber eine gewisse Lockerheit. Mal ein kurzer Schwatz oder ein Lächeln hat noch keinen umgebracht und macht das Leben angenehmer. Hier nimmt man den Alltag entspannter und lässt die Dinge auf sich zukommen, statt von Vornherein in die Defensive zu gehen. Der Umgang unter den Menschen ist hier wärmer.

Sie haben angekündigt, mit David zusammen allenfalls ein Kind adoptieren zu wollen ...

Oje, das ist wieder so etwas, das in gewissen Medien extrem aufgebauscht wurde! Eine Adoption ist momentan natürlich überhaupt kein Thema. Dafür müssen wir zuerst mal unser Leben stabil einrichten. Grundsätzlich aber könnte ich es mir vorstellen, ein Kind zu adoptieren, das ist richtig.

Möchten Sie noch etwas loswerden?

Vielleicht, was mir wieder einmal ganz bewusst geworden ist: Schweizer – und Kanadier – dürfen sich glücklich schätzen, in so tollen Ländern leben zu dürfen. Natürlich muss man Fehler ansprechen, aber man sollte all das Positive auch geniessen und pflegen. Tragen wir Sorge zu dem, was unsere Länder so lebenswert macht.

So war Thomas Kleibers Abschied von «Meteo»
Und hier noch die Bilder des Tages
Zurück zur Startseite