Handball Nati-Präsident Jenny spricht über Trainer Andy Schmid und den Dopingverdacht von Portner

dom, sda

13.5.2024 - 10:29

Der SHV-Präsident Pascal Jenny fiebert beim WM-Playoff-Rückspiel gegen Slowenien mit dem Schweizer Nationalteam mit.
Der SHV-Präsident Pascal Jenny fiebert beim WM-Playoff-Rückspiel gegen Slowenien mit dem Schweizer Nationalteam mit.
Keystone

Pascal Jenny, Präsident des Schweizerischen Handball-Verbandes, spricht über das langfristige Projekt mit Andy Schmid als Nationaltrainer, den Dopingfall Portner und den bevorstehenden Playoff-Final.

13.5.2024 - 10:29

Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen

  • Die Schweizer Handball-Nati verlieren im WM-Playoff gegen Slowenien.
  • «Es war packend», sagt SHV-Präsident Pascal Jenni. Jenni plant langfristig mit dem Nati-Coach Andy Schmid – zumindest bis und mit Heim-EM 2028.
  • Zum Dopingverdacht von Portner meint Jenni: «Wir sind für ihn da. Inhaltlich können wir uns jedoch nicht äussern, auch nicht aktiv mithelfen.»

Die Schweizer Handballer zeigten im WM-Playoff gegen Slowenien zwei starke Auftritte. Sie verpassten es aber, sich für den Effort zu belohnen. Im Siebenmeterschiessen versagten dem Aussenseiter die Nerven – der Traum platzte, sich erstmals seit 1995 auf sportlichem Weg für eine WM-Endrunde zu qualifizieren.

Doch noch besteht aber eine kleine Chance, dass in der nächsten Saison nicht nur die Frauen mit der Heim-EM in Basel einen Grossanlass bestreiten, sondern auch die Männer mit der WM 2025 in Kroatien, Dänemark und Norwegen. Unter anderem dazu äussert sich der ehemalige Spitzenhandballer Pascal Jenny im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Pascal Jenny, wie viele Nerven hat Sie das Playoff-Rückspiel am Sonntag in Winterthur gekostet?

Pascal Jenni: Wow. Es war packend! Vor allem war es eine grosse Freude in der Halle zu sein. Stimmung, Spannung und Entertainment. Das Schweizer Nationalteam mittendrin, ja sogar Protagonist. Ein Erlebnis. Vor allem die letzten zehn Minuten der zweiten Halbzeit waren Mitfiebern pur. Am Ende leider auch eine Leere und Frust – die rasch wieder Zuversicht weichen werden.

Noch sind zwei Wildcards für das 32 Nationen umfassende WM-Teilnehmerfeld zu vergeben. Wie stehen die Schweizer Chancen?

Das kann ich nicht fundiert beantworten. Aufgrund der sportlichen Leistung aller 'Nicht-Qualifizierten' ist klar, dass die Schweiz nach diesen zwei Spielen gegen den Olympiateilnehmer Slowenien eine Wildcard zugesprochen erhalten muss. Wir werden auf jeden Fall bei der IHF und Präsident Hassan Moustafa vorstellig werden und unser Bestes geben, damit es doch noch klappt.

Am Ende wurde die Sensation nur hauchdünn verpasst. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass mit Captain Nikola Portner die eigentliche Nummer 1 im Tor fehlte.

Definitiv. Sein Ausfall ist eine grosse Hypothek. Doch was Jannis Scheidiger in den beiden Playoff-Spielen ablieferte, nachdem er jeweils dezent begonnen hatte, ist für einen 21-Jährigen sehr beachtlich. Er ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Andrerseits galt es auch, Andy Schmid als Spielmacher zu ersetzen. Wenn eine so prägende Persönlichkeit nicht mehr auf dem Feld ist, kann das auch bei den anderen Spielern etwas auslösen. Manuel Zehnder hat diese Rolle ausgezeichnet ausgefüllt, auch gestählt durch seine Bundesliga-Erfahrung.

Nikola Portner ist nach seinem positiven Dopingbefund bis auf weiteres suspendiert. Wie es mit ihm weitergeht, ist unklar. Welche Rolle übernimmt der Verband in diesem Fall?

Als Mitglied des Exekutivrats von Swiss Olympic ist mir die Systematik bekannt. Nikola ist Teil unserer Handball-Familie. Wir sind für ihn da. Inhaltlich können wir uns jedoch nicht äussern, auch nicht aktiv mithelfen. Ich denke, es ist wichtig, dass ein Spieler weiss, wie auch immer das ausgeht, dass seine Homebase die Handball-Familie ist. Klar, im Fall einer langjährigen Sperre könnte dies für ihn das Karriereende bedeuten. Wir haben eine grosse Familie, die mithelfen kann, vielleicht neben dem Handball etwas aufzubauen. Wir hoffen, dass die Geschichte ein gutes Ende nimmt, und dass er wieder auf dem Feld stehen kann. Primär geht es darum, als Verband da zu sein, wenn Fragen aufkommen.

Mit Andy Schmid hat das Team nach der EM im Januar seinen Starspieler verloren. Was ist mit dieser Mannschaft in den nächsten Jahren möglich?

Wir haben ganz bewusst Andy Schmid als Nationaltrainer gewählt, im Wissen, dass die Heim-EM 2028 ein nächster Leuchtturm sein wird, mit dem wir in unserer Sportart – im Vorfeld, während und danach – sehr viel erreichen wollen, sprich, sie in der Bevölkerung noch breiter zu verankern. Insofern stehen wir am Anfang von diesem Zyklus. Andy Schmid selbst steht am Anfang seiner Trainerkarriere. Er hat das in den ersten Spielen ausgezeichnet gemacht, aber da wird in Zukunft noch viel passieren. Ich denke, die Mannschaft hat ein perfektes Alter mit Blick auf 2028. Spieler mit Erfahrung, jetzt Mitte zwanzig und dann im besten Handballalter.

Wo orten Sie noch Baustellen?

Wir haben ein paar Schlüsselpositionen, denen wir viel früher in der Förderung Beachtung schenken müssen. Die Goalieposition ist eine davon. Hier brauchen wir mittelfristig drei bis vier international starke Torhüter. Dann gibt es das Problem, dass wir fast schon traditionell einen Mangel an international spielstarken Linkshändern haben. Und der dritte Schwerpunkt ist die Breite. Wir müssen in den Juniorenauswahlen schon jetzt Spieler haben, die bei der Heim-EM auf dem Feld stehen können. Eine Aufgabe um das Team von Andy Schmid ist es, diese Durchlässigkeit sicherzustellen. Ein strukturiertes Konzept von der Nachwuchserfassung bis zur Nationalmannschaft, wie wir es beispielsweise vom Fussballverband kennen, muss bei uns und in den Vereinen noch stärker koordiniert werden.

Andy Schmid sagte, er sei ins kalte Wasser geworfen worden, nachdem er den Job als Nationaltrainer vier Monate früher als geplant angetreten hat. Weshalb ist er als Trainer-Neuling der Richtige?

Wenn das Wasser kalt war, dann war es zumindest sehr klar. Der Austausch über diesen Rollenwechsel fand über drei Jahre lang statt. Wir wussten immer, dass er der Nachfolger von Michael Suter sein wird. Das war sein Wunsch und auch unser Wunsch. Insofern war das Wasser klar. Aber ja, es war kalt. Ich, der in Arosa wohnt, würde sagen: ‹Er ist ein professioneller Eisbader› (lacht). Genau deshalb ist das Vertrauen, das wir ihm bis 2028 entgegenbringen, so wichtig. Unabhängig von den Resultaten, das möchte ich festhalten, wird bis zur Heim-EM keine Trainerdiskussion aufkommen. Ich bin der festen Überzeugung, dass langfristiges Denken erfolgreicher und nachhaltiger ist. Deshalb lassen wir nicht von Resultaten lenken, sondern von Entwicklung.

Mit dem Playoff-Final beginnt am Pfingstmontag das letzte grosse Highlight dieser Schweizer Handball-Saison. Wie blicken Sie dem Duell zwischen Titelverteidiger Kadetten Schaffhausen und Kriens-Luzern entgegen?

Für mich sind die Kadetten Schaffhausen klarer Favorit. Sie haben eine unglaubliche Entwicklung gemacht, sind über so viele Jahre vorne dabei. Es ist toll, dass wir einen solchen Klub bei uns im Handball haben dürfen. Gleichzeitig bin ich von den Kriensern überrascht, wie sie es geschafft haben, trotz der gewichtigen Ausfälle ihrer Spielmacher Andy Schmid (Rücktritt) und Jonas Schelker (verletzt) ihre Heimspiele zu gewinnen. Vielleicht ist genau diese Aussenseiterrolle und diese Heimstärke der Grund, weshalb (nach den beiden Halbfinalserien) auch der Playoff-Final über die maximalen fünf Spiele gehen wird.

dom, sda