Krankheit verharmlost Long-Covid-Betroffene klagen vor Gericht gegen die IV

tgab

11.5.2024

Die IV lehnt die allermeisten Gesuche von Versicherten mit Long Covid ab. Verharmlost sie die Krankheit? (Symbolbild)
Die IV lehnt die allermeisten Gesuche von Versicherten mit Long Covid ab. Verharmlost sie die Krankheit? (Symbolbild)
IMAGO/Tetra Images

Seit 2021 haben mehr als 5000 Personen mit Covid-Folgen bei der Invalidenversicherung Unterstützung erbeten. Doch die lehnt die meisten Gesuche ab. Jetzt gehen die ersten Patient*innen vor Gericht.

tgab

11.5.2024

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Mehr als 5000 Personen können wegen Langzeitschäden von Covid-19 nicht mehr arbeiten wie zuvor.
  • Sie haben Gesuche auf Invalidenrente gestellt, doch die Invalidenversicherung IV lehnt die meisten Anträge ab.
  • Nun gehen die ersten Long-Covid-Betroffenen gegen die IV vor Gericht. Die Krankheit werde verharmlost.

Sara P. hat ein diagnostiziertes Post-Covid-Syndrom. Zwei Jahre lang erhielt sie Krankentaggelder. Nun sind diese ausgelaufen. Die 42-Jährige ist allerdings noch nicht arbeitsfähig. Höchstens drei Stunden lang kann sie sich auf den Beinen halten. Dann kommen der Schwindel und die Kopfschmerzen. Für ihre Arbeit im Altenheim ist sie nicht fit genug.

Deshalb hat sie bei der Invalidenversicherung (IV) ein Gesuch auf Unterstützung eingereicht. Die findet es zwar nachvollziehbar, dass die Frau aufgrund der Symptome nicht mehr voll arbeitsfähig ist, erkennt jedoch «keinen Gesundheitsschaden mit Krankheitswert» und lehnt ab. 

Mehr als 60 Prozent der Versicherten, die sich wegen Langzeitschäden einer Covid-19-Infektion bei der IV melden, erhalten ein Absage. Für den Grossteil der andern gibt es Eingliederungsmassnahmen oder eine Berufsberatung. Nur die allerwenigsten erhalten eine Rente: 3,6 Prozent. Das zeigt eine Auswertung des Bundesamts für Sozialversicherungen.

Viele Ärzte erkennen Long Covid nicht

Die schwere Verlaufsform von Long Covid ist das sogenannte Chronische Fatigue-Syndrom ME/CFS, eine schwere neuroimmunologische Erkrankung. Betroffene leiden oft unter ausgeprägter körperlicher Schwäche, grippalen Symptomen, Muskelschmerzen und der Verschlechterung des allgemeinen Zustands. Auch Beschwerden wie Herzrasen, Schwindel, Benommenheit und Blutdruckschwankungen können auftreten. Viele Betroffene können dadurch nicht mehr für längere Zeit stehen oder sitzen. Vor der Pandemie war diese Erkrankung ähnlich selten wie multiple Sklerose.

Deshalb würden sich die meisten Ärzte nicht damit auskennen, sagt Neurologin Maja Strasser gegenüber «CH Media». Bis zu einer korrekten Diagnose würden daher im Schnitt sieben Jahre vergehen. Die meisten Patient*innen würden als Simulanten oder als psychisch krank angesehen, kritisiert die Fachfrau. Wissenschaftlicher Konsens sei aber, dass es sich bei Long Covid um eine körperlich Krankheit handle.

Sara P. klagte als eine der ersten Patient*innen gegen die strenge Praxis der IV. Dass Long Covid immer noch als eingebildete Krankheit dargestellt würde, mache sie traurig, sagt sie in dem Medienbeitrag. «Ich sitze nicht seit zwei Jahren zu Hause, weil ich nicht raus will, sondern weil ich nicht kann.»