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Bötschi fragt Boris Blank: «Ich schrieb, der Lehrer müsse ein Primitiver sein»
Von Bruno Bötschi
18.2.2024
Bekannt ist Boris Blank als eine Hälfte des Musikduos Yello. Mit blue News redet er über sein Soloprojekt, verrät, was die beste Idee seines Lebens war – und spricht über die wunderbare Beziehung zu Bandkollege Dieter Meier.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Yello-Soundmaler Boris Blank wandelt dieser Tage wieder einmal auf Solopfaden. «Resonance» heisst das dritte Studioalbum des 72-jährigen Musikers, das am 16. Februar erscheint.
- Entstanden ist das Werk ursprünglich als Auftragsarbeit für das von Stararchitekt Mario Botta entworfene Thermalbad Fortyseven in Baden AG.
- «Die war schon immer da – wahrscheinlich schon im Mutterleib, als es von draussen herein klang: Bum, bum, bum»: Boris Blank über den Moment, als die Musik in sein Leben kam.
Boris Blank, ich stelle dir in den nächsten 45 Minuten möglichst viele Fragen. Und du antwortest möglichst kurz und schnell. Passt dir eine Frage nicht, sagst du einfach «weiter».
Weiter.
Musiker oder Klangmaler?
Klangmaler – technische Virtuosität beeindruckt mich, selbst strebe ich sie nicht an.
Michael Jackson oder James Brown?
James Brown war der grosse Lehrer, aber Michael Jackson machte ebenfalls grossartige Musik. Die Erfindung des Soul Funk geht auf das Konto von Herrn Brown. Jackson hatte wahnsinnig Glück, dass er Quincy Jones als Produzenten für seine verrückteste Platte «Thriller» gewinnen konnte. Ein Meilenstein in der Musikgeschichte.
Wann kam die Musik in dein Leben?
Die war schon immer da – wahrscheinlich schon im Mutterleib, als es von draussen herein klang: Bum, bum, bum.
Was hörte deine Mutter für Musik?
Ich rede von ihrem Herzschlag (lacht).
Und ernsthaft?
Ich hatte von klein auf eine Affinität zu Klängen und Musik. Aber auch zu Räumen und deren Resonanz …
… damit hast du geschickt einen ersten Hinweis auf dein neues Album «Resonance» platziert, dass diese Woche erscheint.
Jetzt habe ich vergessen, was du gefragt hast.
Ich wollte wissen, wann die Musik in dein Leben kam? Als ich dir vor zwölf Jahren die gleiche Frage bereits einmal stellte, hast du Folgendes geantwortet …
Zum Autor: Bruno Bötschi
blue News-Redaktor Bruno Bötschi spricht für das Frage-Antwort-Spiel «Bötschi fragt» regelmässig mit bekannten Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland. Er stellt ihnen ganz viele Fragen – immer direkt, oft lustig und manchmal auch tiefsinnig. Dabei bleibt bis zur allerletzten Frage immer offen, wo das rasante Pingpong hinführt.
… du kannst einfach meine Antwort von damals hier einstellen.
Ich möchte sie dir trotzdem kurz vorlesen: «Als Teenager bekam ich eine Gitarre geschenkt. Obwohl ich keine Noten lesen konnte. Irgendwann waren alle Saiten gerissen, ich baute im Klangkörper ein Mikrofon ein und benutzte die Gitarre als Trommel. Ich hatte von klein auf ein gutes Rhythmusgefühl.»
Diese Geschichte hat sich wirklich so zugetragen – etwas muss ich aber noch anfügen: Bevor ich die erste Gitarre geschenkt bekam, entwickelte ich bereits eine Affinität und Liebe zu Geräuschen. Zum Beispiel für das Echo in den Bergen, als ich mit meinen Eltern im Kien- und Kandertal wandern gegangen bin. Später waren wir auch oft im Wallis unterwegs. Der Ort ist aber gar nicht so wichtig. Das Echo faszinierte mich als Kind dermassen, dass ich oft stundenlang in die Felswände hineingerufen habe.
Wann hast du zuletzt bereut, dass du keine Musiknoten lesen kannst?
Noch gar nie. Vor einigen Jahren kaufte ich ein Gerät, auf dem man Harmonien, also Tonfolgen, ablesen kann. Ich legte meinen Finger auf die Tastatur und dachte: «Wow, was sind das für wunderschöne Abfolgen von Tönen.» Als ich später Dieter Meier (Anmerkung der Redaktion: Blanks Kollege bei der Band Yello) das Stück vorspielte, meinte er nur: «Boris, das musst du weglegen. Das bist nicht du.» Das Amüsante an dieser Geschichte ist, dass ein Dilettant wie ich, der keine Noten lesen kann, trotzdem eine gewisse Authentizität hat. Und dass die Musik von Yello auch nach über 45 Jahren noch immer gekauft wird.
Als Teenager hast du Schneebälle gegen ein Garagentor geworfen und den Knall aufgenommen. Wie hast du das gemacht?
Ich nahm den Klang des Schnees mit einem Tonbandgerät namens Uher auf, an das ich zwei Mikrofone anschloss. Die Beschaffenheit des Schnees war dabei besonders wichtig. Trockener Schnee saugt sich mit einem lauten Plopp an das Garagentor, derweil feuchter Schnee verspritzt. Ploppende Schneebälle kannst du wunderbar als Bassdrum verwenden.
Du hast auch schon Löcher in ein Holz gebohrt und das Geräusch danach verlangsamt abgespielt. Machst du solche Sachen immer noch?
Das Spiel mit den Tönen ist bis heute allgegenwärtig in meinem Leben. Ich nehme täglich Geräusche mit meinem iPhone auf und verarbeite sie auf unserer bandeigenen App Yellofier. Ein grossartiges Tool, weil du da Töne aufnehmen und sie danach sofort verarbeiten kannst.
Was hielten deine Eltern von deinem Hobby?
Meine Eltern verstanden lange nicht, was ich genau mache. Ich glaube, so richtig realisiert, was Dieter und ich mit Yello geschafft haben, haben sie erst, als uns 1997 der damalige Stadtpräsident Josef Estermann den Kunstpreis der Stadt Zürich überreichte. Für diese Feier war auch Prominenz eingeladen – unter anderem Udo Jürgens. Als meine Mutter ihn sah, sagte sie: «Was, der Udo ist auch da? Dann muss unser Sohn irgendetwas Grosses erschaffen haben. Momoll, Boris, das machst du gut.» Dazu muss ich aber erwähnen, dass mich meine Eltern immer haben machen lassen. Ich bin in einer äussert liebevollen Familie gross geworden. Meine Eltern waren bescheidene Leute. Sie hatten aber immer viel Vertrauen in mich als Sohn, auch wenn ich einige Dummheiten angestellt habe.
Dein Deutschlehrer soll gesagt haben: «Jetzt reicht es, du schreibst bis morgen zwei Seiten zum Thema ‹Klopfzeichen – Verständigungsmittel der Primitiven›.»
Das habe ich meinen Eltern nie erzählt.
War das ein Dämpfer für dich, weil der Lehrer dein Talent nicht erkannte?
Nein, ich war glücklich. Endlich reagierte einer auf meine Töne. Und im Aufsatz schrieb ich, der Lehrer müsse auch ein Primitiver sein, da er meine Klopfzeichen verstanden habe.
Träumtest du schon als junger Mensch von einer Karriere als Musiker?
Nein – so richtig bewusst, wie schön Töne klingen können und was Musik machen heisst, wurde mir erst, als ich anfing, mit einem Revox A77 erste Soundcollagen zu komponieren. Ich blies zum Beispiel durch ein Röhrchen in ein Glas voll Milch. Danach spielte ich Blubbern verlangsamt auf der Revox A77 ab und mixte Töne von Querflöte und Geige dazu – mit dem Resultat, dass es wie ein speiender Geysir klang.
Wie ging es weiter?
Ich machte zwei Ausbildungen – als Hochbauzeichner und als Grafiker. Danach jobbte ich als Chauffeur in einer Papierfabrik, arbeitete als TV-Mechaniker und war als Vertreter für Schreibmaschinen unterwegs. Abends fand mein zweites Leben statt, wenn ich jeweils bis zwei Uhr morgens in der Roten Fabrik in Zürich Musik machte.
Wer ist empfindlicher: Musiker*innen oder Maschinen?
Es kommt darauf an, wie der Mensch die Maschinen benutzt. Ich brauche sie als Werkzeug. Maschinen dienen mir dazu, um das zu transportieren, was ich will. Ich bin da total unnachgiebig, pflege die Maschinen aber gut.
Du bezeichnest dich regelmässig als Dilettant. Hat dir dieses Understatement als Musiker geholfen?
Ich denke, als Dilettant hast du gewisse Freiheiten. Mit Understatement hat das aber nichts zu tun. Es ist vielmehr eine Tatsache.
Wirklich wahr, dass dein neues Album «Resonance» auf eine Auftragsarbeit für das Thermalbad Fortyseven in Baden AG zurückgeht?
Das stimmt. Ehrlich gesagt, ich weiss gar nicht mehr, wer mich angefragt hat. Jedenfalls fuhr ich dann nach Baden, als das Thermalbad noch im Rohbau war. Dort lernte ich den Architekten Mario Botta kennen. Ich wusste, dass es eine Herausforderung würde, denn ich habe so etwas vorher noch nie gemacht. Klar war zudem, dass die Musik für das Bad nicht zu laut sein darf, damit die Defibrillatoren an den Wänden nicht zum Einsatz kommen (lacht). Die Soundlandschaften sollten gemächlich und meditativ klingen – meine DNA jedoch trotzdem spürbar sein. Ich wollte aber auch nicht ins Esoterische oder gar Kitschige abdriften. Die Produktion von «Resonance» wurde zu einer Gratwanderung. In der Folge hat sich dann doch die eine oder andere süssliche Note eingeschlichen. Damit kann ich aber gut leben.
Die Produktion des Albums war nicht nur technisch, sondern auch musikalisch eine Herausforderung: Bislang kreiertest du vor allem kurze Stücke mit witzigen klanglichen Jokes. Nun ging es darum, Ambient-Musik zu erschaffen – sprich: Du solltest eine Stimmung schaffen für das friedliche Planschen im Thermalbad.
Ich habe auch für Yello schon Stücke realisiert, die eine instrumentale Reise beinhalten und eher gemächlich und ruhig klingen. Die Aufgabe war also nicht komplett neu – was ich aber noch nie gemacht habe, war ein komplettes Album, das nur Ambient-Musik beinhaltet und bei dem Dieter Meier am Ende nicht als Stimmprotagonist eingeladen wird.
Wie wichtig ist die Reihenfolge der zwölf Stücke auf deinem neuen Album?
Hin und wieder sah ich während der Produktion von «Resonance» vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Viel wichtiger ist jedoch, zumindest für das Thermalbad Fortyseven, dass ich die einzelnen Musikstücke so strukturierte, dass man sie schlaufen kann. Die Stücke durften also, anders als auf meinem Album, keine erkennbaren Anfänge oder Enden haben.
Neu in deinem Leben als Künstler scheint mir zudem die Faszination für die Produktion von Videos zu. Du hast bereits zu den Stücken des letzten Yello-Albums «Point» mehrere Knüller realisiert. So viel ich mich erinnern mag, war das früher jedoch die Domäne von Dieter Meier. Stimmt’s?
Das stimmt. Das erste Video, welches meine Handschrift trägt, ist jenes zum Yello-Song «Waba Duba» aus dem Jahr 2020. Für mein neues Album «Resonance» kreierte ich insgesamt fünf Videos. Das erste war «Vertigo Heroes, Part. 1». Hast du es schon gesehen?
Ja.
Wie bist du dabei vorgegangen?
Ganz ähnlich wie bei der Produktion meiner Klangwelten. Für das Video stellte ich Bilder über- und hintereinander, arbeitete also mit verschiedenen Ebenen. Und es kommen die verschiedensten Bildbearbeitungsprogramme zum Einsatz.
Macht die Musik die Welt besser?
Ohne Musik würde auf unserem Planeten etwas Wichtiges fehlen. Zum Glück können wir meist selber wählen, was wir hören wollen. Trivialer Mainstream-Sound behagt mir nicht, Musik darf für mein Gefühl schon etwas Anspruch haben oder eben eine Geschichte erzählen. Noch wichtiger für mich ist, dass der Zuhörer die Möglichkeit hat, sich in dem Klanggebäude zu bewegen.
Was denkst du, droht uns durch die Algorithmen auch eine gewisse Beliebigkeit?
Im Gegenteil. Ich finde zum Beispiel die Algorithmen von Spotify etwas besser als jenen von Apple Music.
Wieso?
Suche ich auf Spotify Musik, die ähnlich klingt wie eines meiner Lieblingsstücke, ist das Programm schneller und es führt mich oft auch in Regionen von Musik, die ich noch nicht kannte. Das finde ich schön.
Könntest du dir ein Leben ohne Dieter Meier vorstellen?
Ach, das ist eine sehr hypothetische Frage. Dieter gehört zum musikalischen Gesicht von Yello. Ohne ihn gäbe es Yello nicht. Ich möchte Dieter aber auch als Freund nicht missen. Es gibt eine extrem gute Symbiose zwischen uns – auch in der Aufteilung der Arbeit. Ich kreiere die Musik, während Dieter den komfortablen Auftrag hat, wenn die Musik fertig ist, sich mit seiner Stimme in die Stücke einzudenken.
Funktioniert das problemlos?
Dieter hatte in all den Jahren nie das Problem, sich zu inszenieren. Wichtig dabei zu wissen ist: Er und ich sind humorvolle Menschen. Sehen wir uns, haben wir viel zu lachen. Die Beziehung von Dieter und mir hat schon etwas von einer rührenden Familiengeschichte und darum: Nein, ich kann mir ein Leben ohne Dieter nicht vorstellen.
Wie streitet ihr?
Die ganz harten Zeiten sind schon Jahre vorbei. Ich würde sagen, mit dem Älterwerden sind wir beide milder geworden. Aber natürlich gibt es hin und wieder Meinungsverschiedenheiten. Ist ein Stück musikalisch fertig, weiss ich sehr genau, wo ich Dieter Stimme einsetzen möchte respektive wo der Gesang stattfinden soll. Mittlerweile habe ich aber gelernt, ihm genug Raum zu lassen, damit er ohne Vorgaben sich in einem neuen Lied entfalten und tun lassen kann, was er will. Würde ich von Anfang an zu viel reinreden, würde er sagen: «Boris, jetzt will ich auch einmal. Du warst schon die ganze Zeit dran.» Früher flogen in solchen Situationen hin und wieder die Fetzen, allerdings nie sehr ernsthaft.
Wunderst du dich manchmal darüber, dass du seit über 45 Jahren einer der erfolgreichsten Musiker der Schweiz bist – und auch international Erfolg hast …
Ehrlich gesagt, das ist mir eher unangenehm und war mir lange auch nicht richtig bewusst. In all den Jahren durfte ich im Showbusiness aber viele Menschen kennenlernen – von Sängerin Grace Jones über «Miami Vice»-Schauspieler Don Johnson und «Beatles»-Schlagzeuger Ringo Starr bis zu «Bond-Girl» Ursula Andress. Aber egal, wie berühmt diese Menschen auch immer waren, ich realisierte schnell, dass sie alle normal funktionieren – also zugänglich und nahbar sind.
Ritschi, Frontmann der Schweizer Mundart-Popband Plüsch, legte im vergangenen September seine Streamingeinnahmen offen. Ganze 0,04 Franken hat er für die Abrufe eines seiner Alben 2023 vom Streaminggiganten Spotify überwiesen bekommen …
… wahnsinnig.
Ich nehme an, bei Yello fallen die Einnahmen deutlich höher aus?
Ehrlich gesagt, ich schaue diese Abrechnung nie so genau an. Dazu muss ich vielleicht noch sagen: Ich hatte nie wirklich einen Bezug zu Geld, auch, weil ich nie Musik wegen des Geldes gemacht habe. Gleichzeitig bin ich total dankbar, dass wir mit Yello Musik machen und seit mehr als vier Jahrzehnten gut davon leben können. Ein Song, der sich in den Jahren ausbezahlt hat und zu echtem Kapital wurde, ist definitiv «Oh Yeah». «Oh Yeah» wurde schon für unzählige TV-Spots verwendet. Er läuft aber auch, wenn ein Spieler im Football-Stadtion New York Yankees ein Homerun gelingt.
Konkrete Zahlen willst du nicht verraten?
Ich kann nur sagen: Man kann leben davon. Gut leben sogar. Bis heute.
Dieter Meier und du entsprachen nie dem Klischeebild des biederen, langweiligen Schweizers. Half das Yello auf der Suche nach dem internationalen Erfolg?
Ich denke, das Problem ist ein anderes. In der Schweiz ist der Boden extrem schwer, um ein musikalisches Pflänzchen wachsen und gedeihen zu lassen. In den USA und England, wo die Rock- und Popmusik so quasi auf die Welt gekommen ist, ist das einfacher. Wer als Schweizer Musiker*in auch international Erfolg haben will, kann diese nur durch seine Eigenart und Authentizität erreichen. Die Band Young Gods aus Freiburg ist ein gutes Beispiel dafür. Eine Fangemeinde zu erarbeiten, die dann auch noch Jahrzehnte lang treu bleibt, ist eine grosse Sache und …
… braucht auch viel Ausdauer.
So ist es. Und es braucht Glück. Ein BBC-Moderator wurde einmal gefragt: «Wieso spielst du aus der Schweiz nur Musik von Yello?» Darauf sagte der Mann: «Wieso soll ich etwas anderes spielen, wenn ich das Original haben kann?» Musikschaffende schauen oft zu viel nach links und rechts, also was andere machen. Yello hingegen war von Anfang eine Art Original. Wir hatten Witz und haben immer wieder als Dilettanten neue Soundlandschaften kreiert, die uns immer viel Freude bereitete, das merken sogar Kinder. Dazu könnte ich dir auch noch eine lustige Geschichte erzählen.
Nur zu.
Als unsere Tochter noch in die Schule ging, kam während eines Elternabends eine Mutter auf mich zu und sagte: «Boris, ich mag die Musik von Yello sehr, aber ich kann sie nicht mehr hören. Unser Sohn hört sie den ganzen lieben langen Tag rauf und runter.» So sehr diese Frau von unserer Musik genervt war, ein grösseres Kompliment hätte sie mir nicht machen können.
So grundsätzlich: Wie hat sich die Musikwelt seit den 80er-Jahren verändert?
Die elektronische Musik hat insofern viel ausgelöst, dass die Menschen plötzlich allein tanzen konnten, ohne sich einem anderen Menschen erklären zu müssen.
Heute reden alle von KI.
Stimmt. Im Podcast «Supernova» haben sie kürzlich das Thema «Künstliche Intelligenz in der Musik» besprochen. Ich wurde als Gast eingeladen. Die Redaktion spielte mir ein Stück vor, dass nach Yello klingen sollte, aber von KI komponiert worden ist.
Wie hat es geklungen?
Es war die totale Kakofonie. Aber das Schlimmste dabei war: Es fehlte die Seele der Musik.
Was geht in dir vor, wenn du heute – wenige Tage nach deinem 72. Geburtstag – auf dein Leben zurückblickst: Bist du stolz oder wehmütig?
Einerseits freue ich mich darüber, dass ich immer noch wahnsinnig gerne Musik mache. Und andererseits muss ich feststellen, dass der Bewegungsapparat des Homo sapiens nicht dafür gemacht ist, 90 Jahr alt zu werden. Würde ich nicht seit Jahren viel Sport betreiben und jede Woche schwimmen gehen, ginge ich längst am Rollator.
Wie viel Kilometer schwimmst du wöchentlich?
Nicht mehr ganz so viel wie auch schon (lacht). Ich crawle aber immer noch drei bis vier Kilometer pro Woche, und das in einer Zeit zwischen 18 und 20 Minuten pro Kilometer – also immer noch ziemlich schnell. Das «Zeit»-Magazin fragt mich kürzlich für die Rubrik «Was ich gern früher gewusst hätte» an. Eine meiner Antworten hat ebenfalls mit dem Schwimmen zu tun.
Wie lautet sie?
Hätte ich gewusst, dass ich in den letzten 40 Jahren mit dem Verschleiss von nur sechs Badehosen umgerechnet eine Strecke von Zürich nach Singapur in Indoor-Pools schwimmen würde, hätte ich mir einen Sponsorenvertrag mit einer Badehose-Marke angelacht.
Du hast in dieser langen Zeit wirklich nur sechs Badehosen verbraucht?
Vielleicht waren es auch sieben – aber immer von guter Qualität.
Hast du ein Rezept für ein glückliches Leben?
Geborgenheit ist wichtig. Wäre ich ein frommer Mensch, wäre ich Anhänger der Naturreligion. Ich bin täglich mindestens eine Stunde lang in der Natur unterwegs. Das gibt mir Kraft. In der Natur muss ich nichts glauben, was irgendein Prophet erzählt, sondern sehe ich alles mit eigenen Augen – also wie im Frühling alles wächst und blüht und im Herbst die Blätter fallen.
Die beste Idee deines Lebens?
Eine der besten Ideen war sicher, dass meine Frau und ich Eltern wurden. Das passierte zu einer Zeit, als wir beide beruflich sehr beschäftigt waren. Eines Tages kam Nina Hagen auf mich zu und meinte: «Wenn ihr wirklich ein Kind wollt, dann solltet ihr einmal drei Monate Pause machen.» Das haben wir dann auch gemacht. Wir sind nach Ägypten gereist zum Tauchen und besuchten Freunde auf Mallorca. Neun Monate später kam Olivia auf die Welt.
Hast du ein besonderes Talent, von dem bis heute noch niemand weiss?
Ich bin ein guter Stimmenimitator und kann viele Dialekte nachmachen. Schön finde ich, dass ich ein Talent für Humor habe. Ich kann Leute zum Lachen bringen und sie glücklich machen. Für mich gibt es nichts Schöneres als lachende Menschen.
Begleitet dich die Musik durch die Nacht?
Immer wieder.
Hast du Albträume?
Selten.
Live auftreten war einer deiner Albträume. Was war das für ein Gefühl, als du vor sieben Jahren in Berlin mit Dieter Meier und anderen Musiker*innen auf der Bühne standest?
Es gab Gründe, wieso ich jahrelang nicht live auftreten wollte. Ich wollte nicht der Typ auf der Bühne sein, der hinter einem Computer steht, ein paar Tasten drückt, mit dem Füdli wackelt und blöd aussieht. Dieter dagegen fand immer: «Boris, wir müssen auf die Bühne.» Als ich ihm dann vor ein paar Jahren sagte, dass ich bereit wäre, einige Liveauftritte zu absolvieren, meinte er nur: «Das habe ich ja schon immer gesagt.»
Tatsächlich wissen nur wenige Menschen, dass Dieter Meier und du schon 1983 in New York gemeinsam auf der Bühne standen. Wie kam’s?
Das stimmt – unseren allerersten Liveauftritt absolvierten wir jedoch im Kino Forum in Zürich. Das muss 1979 oder 1980 gewesen sein. Dieter und ich kannten uns damals erst zwei Wochen lang. Später gab es noch einige Playback-Shows in Paris und London. In der britischen Metropole traten wir 1983 im Camden Palace auf. Als ich auf der Bühne zum Song «Swing» die Lippen bewegte, machte der Tontechniker nach einer Minute einen Fehler und schaltete versehentlich «Let’s Dance» von David Bowie ein. Danach bin ich fast durchgedreht hinter der Bühne. Hätte mich Dieter nicht aufgehalten, hätte ich dem Typ eines aufs Dach gegeben. Das Witzige hinter dieser Geschichte geschah wenige Tage nach unserem Auftritt. Das inzwischen eingestellte Musikmagazin «Melody Maker» schrieb über unseren Auftritt: «Endlich zwei Musiker, die sich lustig über billige Playback-Shows machen.»
Gibt es einen Ort, den du noch unbedingt sehen möchtest?
Ich würde gerne den Fernen Osten entdecken, also Sumatra und den Nordwesten Bali, und dort tauchen gehen. Unter Wasser hörst du absolut nichts. Es herrscht die totale Stille. Für mich das Schönste, was es gibt.
Ist Stille schöner als Musik?
Hmm … das würde ich nicht sagen. Stille ist auch Musik.
Mehr «Bötschi fragt»-Gespräche findest du unter diesem Link.